Von einer irischen Männerwirtschaft

■ Neu im Kino: „Saltwater“ von Conor McPherson ist ein warmherzig-melancholisch erzählter Episodenfilm aus einer Frittenbude

Was es in einem heruntergekommenen Imbiss in einem kleinen irischen Kaff zu essen gibt, will wohl kaum jemand auf einer großen Leinwand sehen, und so erspart uns der Regisseur Conor McPherson auch die Blicke in Töpfe und Pfannen sowie die Nahaufnahmen von fettigen Fish'n Chips-Portionen. Auch Gäste sieht man kaum in George Beneventis Frittenbude. Meist hängen seine zwei Söhne und der Liebhaber seiner Tochter auf den Stühlen herum, und wenn wir wirklich einmal einen Gast einen Kaffee trinken sehen, dann ist es der örtliche Buchmacher Simple Simon, der bei George sein Geld eintreiben will.

Man merkt, dass Conor McPherson ein erfolgreicher Theaterautor ist, der einen guten, zentralen Spielort zu schätzen weiß. In der Sitzecke des Imbiss laufen alle Handlungsstränge von „Saltwater“ zusammen. Hier hat der Film seinen Ankerplatz, ohne den die einzelnen Episoden wohl zu unvermittelt nebeneinander herlaufen würden. Denn McPherson erzählt viel, bei einem nicht so ambitionierten Filmemacher hätte der Stoff auch für vier Filme reichen können.

George selber macht den ganzen Film über gar nichts: Er hat Schulden und guckt traurig. Obwohl er so stolz auf seine italienischen Vorfahren ist, wirkt er wie das personifizierte nordische Phlegma. Seine Söhne sind zwar auch nicht gerade heißblütig, aber sie strampeln sich zumindest tüchtig und oft sehr komisch mit ihren Problemen ab: Frank, der Älteste, nimmt den Kampf mit dem Schuldenberg des Vaters auf, schweißt zwei Stahlrohre so zusammen, dass sie wie die Läufe einer Schrottflinte aussehen, und überfällt Simple Simon in seinem Wettbüro. Sein Bruder Joe pubertiert, kommt in schlechte Gesellschaft und wird nach einer chaotischen Nacht bezichtigt, eine Schülerin vergewaltigt zu haben. Schwiegersohn in spe Ray könnte vergleichsweise sorgenfrei leben, wenn der Philosophiedozent die Finger von einer seiner Studentinnen ließe und wenn er nicht unbedingt einen renommierten Philosophen im vollbesetzten Audimax vom Sockel stoßen wollte.

Dieser akademische Showdown, der auf dem ersten Blick in einem Film über die Familie eines irischen Frittenbäckers nichts verloren hat, ist einer der witzigen Höhepunkte des Films. Die Episoden scheinen manchmal ein wenig zu beliebig zusammengewürfelt zu sein. Besonders deutlich wird die Schwäche des Drehbuchs am Schluss, an dem McPherson die offenen Enden ziemlich hilflos einfach hängen lässt. Aber all das wird mehr als wettgemacht durch den warmherzig-melacholischen Grundton von „Saltwater“. Man lässt sich einfach gerne ein auf diese skurril gezeichneten Figuren: Manchmal möchte man sie ein wenig rütteln und auf den rechten Weg schubsen, aber gerade ihre Fehler und Umwege machen sie letztlich liebenswert.

Die Bilder sind entsprechend dem Ambiente eher grau und düster gehalten. Dies ist keiner von den vielen Filmen, die wie Werbespots für Irlandreisen wirken. „Saltwater“ ist da schon ein sehr passender Titel, und doch gelingt es McPherson, diese Tristesse anheimelnd wirken zu lassen. Aber einen Hamburger würde man in diesem Laden trotzdem nicht essen wollen.

Wilfried Hippen

„Saltwater“ läuft in der Originalfassung mit Untertiteln im Filmstudio tägl. um 18 und 22 Uhr