Erst shoppen, dann poppen

Während es bei anderen TV-Shops nur Nippes gibt, verkauft RTL jetzt Sex-Nippes per Transaktionsfernsehen

Die Kölner Privatfunker wissen, wie man einen Laden mit Ladenhütern aufzieht. Was bei Kirchs H.O.T. nur leere Verheißung war, wird bei RTL jetzt richtig „hot“. Der Tele-Ramschladen RTL-Shop wird zur spätabendlichen Stunde mit einer Erotikfiliale „aufgepeept“. All die vielen nützlichen Hilfsmittelchen für perfektes Glück im Schleiflackschlafzimmer gibt’s ab sofort zur besten Vorspielzeit anschaulich auf der Mattscheibe präsentiert. Ein Griff zum Telefon, ein kurzes Gespräch und schon wenige Tage später landen die kleinen Sexhelferchen – hoffentlich diskret verpackt – im heimischen Briefkasten.

Der gute alte Versandkatalog auf dem Bildschirm? Da guckt auch Beate Uhse in die Röhre und bleibt mit ihrem Blue Channel im Quotenaus von Premiere World. Jetzt soll den Deutschen wieder die Lederhose jucken und der Zwickel zwicken.

In den 80er Jahren mauserten sich die Kölner Privatpioniere vom Muttersender RTL mit angestaubten Sexfilmchen und koketten Stripshows zur Lieblingsstation der bumsfidelen Medienmassen. Die Zeit der Quotenexperimente mit „Tutti-Frutti“ ist längst vorbei – man gibt sich seriös. Dubioses wie „Big Brother“ wird auf RTL 2 angetestet und nur bei Gefallen ins RTL-Erste gehoben.

Die Claims in der Senderwelt sind längst abgesteckt. Ganz anders geht es in der Welt der Verkaufskanäle zu. Hier ist noch der dilettantische Pioniergeist von einst zu sehen: Gestümperte Moderationen, Regiepatzer und drittklassige Propagandisten in Tupper-Party-Laune. Doch den Kollegen von HOT und QVC geht langsam die unfreiwillige Komik der brachial synchronisierten Dauerwerbesendungen für „Abflex“ und „Motor Up“ verloren.

Seit April mischt RTL nun mit im Eldorado des Telegroßhandels für limitierten Wohnzimmernippes mit Echtheitszertifikat. Es gibt noch viel schäbigen Schmuck unters sofafaule Volk zu bringen. Für das Erreichen der Marktführerschaft im Home-Shopping-Segment ist RTL auf die alte Erotikmasche von einst verfallen. Warum sollte sich die Bertels-Männerwelt mit dem Vorstoß unter die Gürtellinie irren?

Als Anchorwoman des Erotik-Shops konnte der Sender eine Weggefährtin aus der RTL-Pubertät gewinnen. Im Puff-Ambiente (roter Samt) ver-führt die „Sexpertin“ Erika Berger immer freitags um 23 Uhr durch das schwüle Sortiment von „hochwertigen Produkten“. Reizwäsche und Duftöle, Bücher und Spiele – auch mit 61 Jahren wird’s der Kummerkastentante von „Eine Chance für die Liebe“ nicht peinlich. Schon jetzt dürfen wir uns freuen auf die manikürt einfühlsame Vorführung des stufenlos einstellbaren Dreimotorendildos mit Ejakulationsfunktion (und Echtheitszertifikat). Und auch das Comeback des unvergessenen Hugo Egon Balder als Pillen-Paule wohl nicht mehr auszuschließen. PHILIPP KOEP