Basar Deutschland

Der Bundestag hat das Rabattgesetz und die Zugabeverordnung gestrichen. Bald kann um Heller und Pfennig frei gefeilscht werden

aus Berlin MARIUS ZIPPE

Was in den meisten Ländern schon zum Alltag gehört, ist in Deutschland noch verboten: das freie Feilschen um den Preis zwischen Käufer und Verkäufer. Penibel regelt das Rabattgesetz, wie hoch ein Preisnachlass sein darf, mehr als drei Prozent gibt es nicht.

Auch was Händler als kostenlose Zugabe anbieten können, ist nicht dem Zufall überlassen. Die Zugabeverordnung bestimmt, dass Werbegeschenke oder Zusatzleistungen nur von geringem Wert sein dürfen, um eine Kaufentscheidung nicht maßgeblich zu beeinflussen.

Das hat jetzt ein Ende. Gestern beschloss der Bundestag die ersatzlose Aufhebung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung. Damit scheinen jetzt alle Tore für den „Basar Deutschland“ geöffnet, denn Preise werden frei verhandelbar sein. Auch Zugaben dürfen nun großzügiger verteilt werden. Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministerium sagte, dass die Abschaffung noch im August umgesetzt werden könnte. Zwar befasst sich in zwei Wochen der Bundesrat noch einmal mit dem Thema, doch mit einem Einspruch der Länderkammer rechnet niemand.

Beide Gesetze stammten vom Beginn der 30er-Jahre. Als überholt galten die Regelungen spätestens seitdem klar war, dass ab 2002 die europäischen E-Commerce-Richtlinie eingeführt wird. Die Richtlinie verankert das Herkunftsprinzip. Bei grenzüberschreitenden Geschäften, zum Beispiel im Internet, gelten demnach die Rechtsvorschriften des Herkunftslandes. Weil Deutschland in der EU mit seinen strengen Rabatt- und Zugaberegelungen allein auf weiter Flur steht, wären deutsche Firmen bei der Beibehaltung der Gesetze im Wettbewerb weiter benachteiligt gewesen.

An dem ersatzlosen Wegfall der Gesetze wurde bis zuletzt Kritik geübt. Der CDU-Abgeordnete Sauerte forderte die Regierung auf, vor allem den Verbraucherschutz zu stärken und „Ersatzlösungen“ vorzulegen. Eine große Gefahr sieht Sauerte bei den Zugaben. Auch künftig müssten Hauptware und Zugaben in einem „normalen Verhältnis“ stehen, damit der Kunde die Preise beurteilen kann. Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) und der Zentralverband des Deutschen Handwerks, die vor allem kleinere mittelständische Betriebe vertreten, äußerten ebenfalls ihre Bedenken. Die Befürchtungen betreffen vor allem Kundenbindungssysteme der Großkonzerne, die Rabatte nach der Höhe des Umsatzes gewähren. Das könnte zu einer Verdrängung kleiner Anbieter führen. Auch diesem Grund stimmten CDU/CSU und PDS gegen die Abschaffung oder enthielten sich. HDE-Geschäftsführer Holger Wenzel sagte der taz, er hätte sich ein Verbot von Kundenkarten nach Umsatzstaffelung gewünscht.

Für die uneingeschränkte Streichung sprachen sich dagegen der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) und der Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels (BGA) aus. Beide Verbände sehen im Abbau der Gängelung vor allem die großen Chancen für den deutschen Handel. Andreas Kramholz vom BGA sagte, „wir sind froh, dass die Abschaffung geglückt ist“. Jetzt hoffe er auf einen belebteren Handel und buntere Angebote. Die Kritik der anderen Verbände schob Kramholz auf deren Furcht vor den neuen Freiheiten.

Dass sich die Konsumgewohnheiten der Deutschen wirklich ändern könnten, belegt eine Studie des Handels-Beratungsunternehmens Mercuri-International aus München. Demnach könnte nach dem Fall des Rabattgesetzes die Zahl der Schnäppchenjäger sprunghaft zunehmen. Bis zu dreimal mehr Kunden mit höheren Einkommen wollen nach dem Fall des Rabattgesetzes um die Preise feilschen. Sollte es wirklich zu der Preisschlacht kommen, ist aber auch in Zukunft nicht alles erlaubt. Weiterhin existiert das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Dieses schützt Käufer vor „Irreführungen“ und „übertriebenen Lockgeboten“.