mildes microsoft-urteil
: Der Prozess macht nur Anwälte reich

Die Millionen, die er regelmäßig für Alphabetisierungskampagnen in Afrika spendet, kann sich Bill Gates künftig eigentlich sparen. Seine Unschuld gewinnt er damit nicht zurück. Selbst das als Microsoft-freundlich bekannte Berufungsgericht in Washington stempelte den Wunderknaben jetzt zum Gesetzesbrecher. Doch wie die meisten Wirtschaftskriminellen kommt er vorerst ungestraft davon.

Kommentarvon ELLY JUNGHANS

Drei Jahre brauchte die US-Justiz, um festzustellen, was jeder Computernutzer weiß: Microsoft hat das Monopol bei den PC-Betriebssystemen. Um sicherzustellen, dass auch künftig auf neun von zehn Bildschirmen als Erstes die Windows-Schriftzüge erscheinen, wurden illegale Knebelverträge mit Computerherstellern vereinbart. Microsoft schuf Fakten, die das Berufungsgericht als nicht rückholbar bewertete. Gates darf sein Monopol also behalten. Und: Darf er auch das Internet monopolisieren?

Er darf nicht, fand US-Bundesrichter Thomas P. Jackson, dessen Zerschlagungsurteil nun in zweiter Instanz abgehackt wurde. Mit einem brutalen, aber konsequenten Hieb wollte Jackson den freien Wettbewerb im Internet sichern. Der Richter folgte damit der Tradition historischer Kartellrechtsfälle, die zur Aufteilung von Ölmultis wie Standard Oil und Telekommunikationsgiganten wie AT&T führte. Das alles ist jedoch Jahrzehnte her.

Im Computerzeitalter wird die Justiz von der technischen Entwicklung überholt. Die Browser-Kriege der 90er-Jahre, bei denen Microsoft das konkurrierende Internetprogramm von Netscape zerlegte, gehören längst der Geschichte an. Derzeit ist Software wie RealPlayer an der Reihe.

In diesem Jahrzehnt ist Monopolisten wie Microsoft mit staatlichen Verordnungen nicht mehr beizukommen. Kartellprozesse führen höchstens dazu, dass die Beklagten mehr Anwälte beschäftigen, mehr Wahlkämpfe finanzieren und sich mehr Gedanken über Lobbyarbeit machen als über die neueste Computer-Innovation. Nur eine Kombination aus Schadensersatzprozessen von Konkurrenten und Verbraucherboykotten kann kriminelles Firmenverhalten in die Schranken weisen. Insofern hat das Berufungsurteil sein Gutes: Wenn Gates wie bisher agiert und bald fast jeder Mausklick auf Microsoft-Sites führt, dürften nicht nur Durchschnittsnutzer Alternativen fordern. Auch Internet-Anbieter werden erneut Gates verklagen. Je ungenierter er also im Internet agiert, desto teurer kommt ihn das zu stehen.

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