Tapfere Frontstadtkrieger

Kein dickes Ding: Der HipHop-Sampler „Berlin macht Schule“ verschafft einen Einblick in den rappenden Underground der Stadt – und offenbart dabei manches Qualitätsdefizit

Der Beginn ist hinreichend bekannt, aber viel versprechend. Mit „Dickes B“ von Seeed, der längst in den Charts plazierten Hauptstadt-Hymne im Dancehall-Rhythmus, startet „Berlin macht Schule 2 – HipHop“. Dann aber beginnt die Eintönigkeit auf dieser Compilation, die sich exklusiv der HipHop-Szene widmet, die auf der ersten Ausgabe von „Berlin macht Schule“ gar nicht repräsentiert war: Battle-Rhymes, wohin man hört.

Glaubt man dieser Zusammenstellung, dann beschäftigt sich HipHop in Berlin, von Ausnahmen abgesehen, noch immer tapfer ausschließlich mit den eigenen Reim-Fertigkeiten, wo doch in anderen Großstädten längst Geschichten erzählt werden, die Texte persönlicher oder politischer werden. Doch die nbt-nachbarschaft aus 36 kippt nur die üblichen Beschimpfungen über „whacke Toys“, und Sha-Karl & Smoke „schießen grottenhafte Rapper wie Raketen in die Sterne“. Und wenn dann doch einmal das Themenspektrum erweitert wird, dann bringt Pilskills in „Ey Mädels“ scheinbar unvermeidlichen Sexismus unters kopfnickende Volk.

Überhaupt: Das im HipHop immer noch recht unbekannte Wesen Frau hat insgesamt genau so viele Auftritte wie De ‚Lix allein: Nämlich exakt zwei. Pyranja ist die einzige Rapperin mit eigenem Track, die Analphabeten haben Ana Ray als Gast dabei. Mehr Frauen waren anscheinend in Berlin nicht zu finden – keine Spur von mittlerweile ja auch nicht ganz unbekannten Namen wie Aziza-A, Schnecke MC oder Lisi. Aber es fehlen ja auch andere, vor allem die meisten der bereits wirklich prominenten Berliner Acts wie die KMC-Posse um die Harleckinz, Kool Savas und seine Monsters-of-Rap-Posse oder auch die Spezializtz.

Allerdings soll „Berlin macht Schule 2“ auch keinen umfassenden Überblick bieten, dazu, so lässt das inhaltlich verantwortliche Jugendradio im Waschzettel verlauten, seien die lokalen HipHop-Aktivisten viel zu zersplittert. So wird die Auswahl, die schließlich getroffen wurde, dominiert von Veteranen wie Gauner oder Der Schreiner, der auch schon einen kurzen Ausflug zu einem Major-Label hinter sich gebracht hat. Man könne, so Fritz, schließlich eh nur „einen kleinen Teil der sehr aktiven Berliner Szene präsentieren“.

Da ist was dran und die Bandbreite, die textlich fehlt, die hat „Berlin macht Schule 2“ immerhin musikalisch zu bieten. Vom Dancehall geht es über legere Westcoast-Beats bis zur härteren New Yorker Variante, Bektas rappt über arabischen Klängen, Max’Well lässt fröhlich Beats aus dem Kinderzimmer hüpfen, Mellowbag düstere Samples kreisen und beim Notorischen Wahnsinn liefern doch tatsächlich Bongos den Beat für einen der besten der insgesamt 19 Tracks der Platte.

So ist diese Compilation dann doch eine fast durchweg nett zu hörende Möglichkeit, sich, wenn schon keinen Über-, dann doch zumindest einen Einblick ins rappende Berlin zu verschaffen, wo in manchen Köpfen die Mauer immer noch genau da steht, wo sie früher einmal stand. So „rockt“ Schreiner „den Shit von Zehlendorf bis Lübars“. Auch der Berliner HipHop braucht wohl auch noch eine Weile, um Frontstadtmentalität und diepgenhafte Provinzialität endgültig abzulegen. THOMAS WINKLER

„Berlin macht Schule 2 – HipHop“ (V 2)