Töten leicht gemacht

aus Phnom Penh JUTTA LIETSCH

Als die philippinischen Abu Sayyaf im April letzten Jahres 21 westliche Touristen und einheimische Angestellte von einer malaysischen Insel entführten, rieben sich die Waffenhändler der Region die Hände: „Commander Robot“ und seine Kidnappertruppe würden sich bald wieder als gute Kunden erweisen.

Die Händler des Todes sollten Recht behalten. Kaum waren die ersten Lösegelder geflossen, deckten sich die Entführer mit neuem Schießgerät ein. Mit diesen Waffen konnten die Entführer sich nicht nur gegen die Offensive der Regierung verteidigen, sondern im Mai erneut in spektakulären Aktionen Ferienanlagen, Krankenhäuser, Plantagen und Fischerboote im Süden der Philippinen überfallen. Derzeit sind auf der Insel Basilan noch Dutzende von Geiseln, darunter drei Amerikaner, in der Gewalt der Abu Sayyaf.

Die Banditen bevorzugen automatische Gewehre vom Typ M 16 aus amerikanischer und philippinischer Produktion. Die besorgen sie sich allerdings nicht nur von professionellen Waffenhändlern: Auch Soldaten und Offiziere der philippinischen Armee sind froh, sich mit dem Verkauf ihrer Pistolen und von Munition an immer neue Möchtegernkidnapper einen Nebenerwerb zu ihrem mageren Sold zu schaffen.

Für die Politiker auf den Philippinen und in Malaysia sind die Aktivitäten der Abu Sayyaf allerdings weniger angenehm: Sie beweisen, wie einfach eine Gangstergruppe Regierungen erpressen und ein Gebiet wirtschaftlich ruinieren kann, wenn sie nur genug Gewehre und Munition in die Hände bekommt. Und die philippinischen, malaysischen und anderen Waffenhändler der Region haben wenig Mühe, ihre Ware an den Küstenwachen vorbei durch die wilde Sulu-See bis zu den Hochburgen der Abu Sayyaf auf den Inseln Jolo und Basilan zu schmuggeln.

Feuerkraft für lokale Konflikte

Gleichzeitig wirft die Affäre ein grelles Licht auf die zögerliche Zusammenarbeit zwischen den asiatischen Regierungen beim Versuch, den Handel mit Kleinwaffen in den Griff zu bekommen. Allerdings wächst im Vorfeld der UN-Sonderkonferenz zu Kleinwaffen vom 9. bis 20. Juli (siehe Kasten oben) in einigen Ländern Asiens doch die Einsicht, dass es so nicht weitergehen kann. Obwohl „sich seit dem Ende des Kalten Krieges alle Experten und Staaten vor allem mit dem Handel von Atom-, Bio- und Großwaffen beschäftigen, sind es heute die Kleinwaffen, die in lokalen Konflikten und Bürgerkriegen mehr Schäden anrichten und mehr Unsicherheit erzeugen als je zuvor in der Vergangenheit“, sagte der kambodschanische General Nem Sowath im Frühjahr in Phnom Penh bei einer Internationalen Konferenz über Kleinwaffenhandel, die von der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung und dem kambodschanischen Institut für Frieden und Zusammenarbeit organisiert wurde.

Niemand weiß, wie viele Gewehre, Pistolen und Granatwerfer mittlerweile überhaupt existieren. Selbst Rüstungsexperten, die seit Jahren akribisch Exportstatistiken und Warenlisten durchforsten, sind ratlos: „Es existieren noch nicht einmal seriöse Schätzungen“, sagt Owen Greene, Abrüstungsfachmann an der britischen Bradford-Universität. „Die Zahl liegt irgendwo zwischen 250 Millionen und 700 Millionen!“

Sicher ist nur: Jedes Jahr kommen weitere Millionen dazu. Der Großteil wird in den USA und Europa produziert. Viele ärmere Länder wie China, Russland und Vietnam stellen ebenfalls Kleinwaffen und Munition her, um ihre Polizei oder Militärs auszurüsten. Sie sind leicht zu bauen, werden dank moderner Technologie immer gefährlicher und sind preisgünstig.

Das böse Geschäft der Waffenhändler verschärft viele lokale Konflikte, wie das Beispiel der Philippinen zeigt. Dort hat die Regierung der Abu-Sayyaf-Bande vor einem Dreivierteljahr den Krieg erklärt. Seitdem überzieht die Armee die Inseln Jolo und Basilan mit einer Offensive. Folge: Zehntausende Bewohner mussten fliehen, die Zahl der Toten und Verwundeten ist bislang nicht bekannt.

Auch auf den Molukken im Nachbarland Indonesien, wo sich christliche und muslimische Banden vor zwei Jahren zunächst nur mit Macheten gegenüberstanden, nahm die Zahl der Flüchtlinge dramatisch zu, nachdem größere Mengen an Gewehren und Munition eingeschmuggelt worden waren.

Viele Politiker in der Region erklären immer wieder, wie furchtbar die Gewalt ist. Doch die wenigsten sind bereit, ernsthaft die Geschäfte mit Kleinwaffen zu kontrollieren. Ein Grund: Die Regierungen fürchten, dass die Veröffentlichung von Zahlen über Produktion und Export der Waffen oder über die Ausrüstung von Polizei und Militär „einen Eingriff in die nationale Souveränität bedeuten und damit die nationale Sicherheit gefährden könnte“, sagt Yeshua Moser-Puangsuwan von der pazifistischen Organisation „Nonviolence International“ in Bangkok, der sich seit Jahren mit dem Waffenhandel in Südostasien beschäftigt.

Zwar hat sich die südostasiatische Staatengemeinschaft Asean seit Ende der 90er-Jahre darauf verständigt, beim Kampf gegen illegalen Waffenhandel zusammenzuarbeiten. Doch in der Praxis ist bislang wenig geschehen. Das liegt nur zum Teil daran, dass ihre Polizisten oder Zöllner zu schlecht ausgebildet, ausgerüstet und finanziert oder dass die Drahtzieher der illegalen Waffengeschäfte zuweilen hohe Militärs und Regierungspolitiker sind. Dazu kommt, dass sich die Asean-Mitglieder vielfach gegenseitig nicht über den Weg trauen.

Der böse Verdacht: „Untergrundorganisationen in verschiedenen Ländern Südostasiens schüren Konflikte in Nachbarländern, um ihre politischen Rivalen zu schwächen.“ Das sagt General José Almonte, ein ehemaliger Sicherheitsberater der philippinischen Regierung.

Ganz legal in die Illegalität

Es ist zum Beispiel ein offenes Geheimnis, dass die muslimischen Unabhängigkeitsbewegungen im Süden der Philippinen zeitweise mit Waffen von muslimischen Gruppen in Malaysia unterstützt wurden. Diese wiederum pflegten enge Verbindungen zu den Rebellen in der indonesischen Provinz Aceh.

Allerdings waren viele der Gewehre, die schließlich in den Händen von Rebellen, Piraten oder Kidnappern landeten, ursprünglich ganz legal auf den Markt gelangt. Sie wurden zum Beispiel aus Polizeiarsenalen ausgemustert und an private Geschäftsleute verkauft.

Deshalb halten es viele Fachleute für unsinnig, nur den illegalen Waffenhandel kontrollieren zu wollen, wie es die Asean-Staaten anstreben. Yeshua Moser-Puangsuwan von „Nonviolence International“: „Die allermeisten Waffen waren irgendwann einmal legal.“

Bis eine M 16 in den Händen von Kriminellen landet, kann sie mehrfach legal weiterverkauft worden sein. Der Waffenmakler, der in seinem Büro in Phnom Penh sitzt und von dort aus Gewehre in Bulgarien ordert, um sie über Abu Dhabi oder Singapur für eine mörderische Miliz nach Afrika oder Asien verschiffen zu lassen, verstößt in Kambodscha nicht gegen das Gesetz.

Abrüstungsexperten fordern ein internationales „Register für Kleinwaffen“ nach dem Vorbild des schon bestehenden UN-Registers für großes Kriegswerkzeug wie Kanonen, Panzer oder Raketen. Jedes Land soll, so das Ziel, der UNO künftig jährlich mitteilen, wie viele Gewehre es produziert und wohin es sie exportiert hat. Außerdem sollten alle Waffen künftig nach einem international vereinbarten System gekennzeichnet werden. Der Abrüstungsexperte Owen Greene von der Bradford-Universität: „Nur dann können wir die Wege der Waffen zurückverfolgen.“

Markierung hilft – ein bisschen

Die Markierung ist wichtig: Offiziere, die den Schwarzmarkt mit Gewehren aus dem Bestand ihrer Truppe versorgen, könnten sich nicht mehr damit herausreden, sie hätten die Waffen vernichtet. Und wenn im philippinischen Süden künftig Pistolen gefunden würden, deren Nummer einst in Afghanistan registriert war, hätten die Fahnder einen wichtigen Beweis für ihre Vermutung, dass das zentralasiatische Land inzwischen eines der wichtigsten Nachschubgebiete für illegale Waffen in die Region geworden ist.

Allerdings macht sich niemand die Illusion, dass eine schärfere Kontrolle von Waffenhändlern oder die Veröffentlichung nationaler Statistiken über Waffenexporte allein dazu beitragen können, die Welt sicherer zu machen. Gruppen wie die Abu Sayyaf oder die „Bewegung Freies Aceh“ würden sich durch solche internationalen Konventionen kaum daran hindern lassen, sich ihre Gewehre zu besorgen.

General Almonte: „Solange Armut und Unrecht weiterbestehen – die Gründe, aus denen sich die Menschen in den Krisengebieten gezwungen sehen, das Gewehr in die Hand zu nehmen –, so lange werden die Waffenschmuggler Mittel und Wege finden, alle staatlichen Blockaden zu überwinden, um die profitablen Märkte zu erreichen.“