„Wir sollten die Risiken ernst nehmen“

Der grüne Bundestagsabgeordnete Winfried Hermann erklärt, warum seine Partei schärfere Grenzwerte für Mobilfunkstrahlen einführen will

taz: Herr Hermann, sie wollen Mobilfunk-Sender strenger regulieren. Haben Sie etwas gegen Handys?

Winfried Hermann: Nein, ich bin selbst ein Freund des Handys. Aber die geltenden Grenzwerte reichen nicht aus.

Machen Sie sich Sorgen beim telefonieren?

Ich achte darauf, alle Gespräche, die ich nicht per Handy führen muss, übers Festnetz zu führen. Außerdem schalte ich das Handy oft ab, würde es nie nachts neben mein Bett legen und trage es nicht direkt an meinem Körper.

Ein handfester Beweis für ein Risiko durch moderne Handys steht trotz vieler Studien bislang aus.

Richtig, es gibt keine wissenschaftlich sicheren Beweise. Aber Indizien für Gefahren gibt es schon: Etwa auf ein erhöhtes Blutkrebsrisiko. Oder auf Schlafstörungen durch Mobilfunk. Die Politik hat lange gesagt, wir machen nichts, solange es keine sicheren Beweise gibt. Wir Grünen wollen aber nicht so lange warten, bis bewiesen ist, dass kleine Kinder Blutkrebs bekommen. Wir wollen lieber nach dem Prinzip der Vorsorge handeln und sehen, wo wir die Grenzwerte senken können.

Gegen die neuen UMTS-Sendemasten regt sich vielerorts Protest. Wo liegt das Problem?

Die allermeisten Masten brauchen keine Genehmigung. Da mietet der Betreiber ein Dach an, setzt seinen Sender drauf und fertig. Die Kommunen sind überrascht, die Bürger sind überrascht – das ist eigentlich der Hauptärger. Es gibt keine rechtliche Möglichkeit zum Beispiel für eine Kommune, auf einen unbedenklichen Standort zu drängen.

Eigentlich müssten sich die Kritiker über UMTS doch freuen, weil die Sendeleistung geringer ist als beim bisherigen GSM-Netz – und die Strahlen auch nicht mehr gepulst sind, was als besonders bedenklich gilt.

Es stimmt: UMTS ist unbedenklicher als GSM. Aber die Masten kommen noch dazu. Wir haben schon jetzt 40.000 Masten. Mit den UMTS-Sendern werden wir für eine Übergangszeit von etwa zehn Jahren 100.000 Sender haben.

Welche Grenzwerte wollen Sie senken?

Ich schlage vor, den Grenzwert für die elektrischen Felder in der Nähe der Masten um den Faktor 10 abzusenken – und einen Vorsorgewert für besonders gefährdete Gruppen einzuführen, also für junge Menschen in Schulen oder Kindergärten. Außerdem wollen wir die Länder auffordern, im Baurecht vorzuschreiben, dass die Kommunen eine Mitsprache bekommen und ein risikoarmer Standort gesucht werden muss.

Und die Handys?

Handys sind ja auch kleine Sender, die wir zudem dicht am Körper tragen. Im Moment haben wir Handys auf dem Markt, die bis zum Zehnfachen der Sendeleistung neuer, strahlungsarmer Geräte ausstrahlen. Deshalb wollen wir die Handys kennzeichnen lassen, sodass man die Strahlenbelastung vergleichen kann. Eventuell macht die Industrie das per Selbstverpflichtung. Mittelfristig strebe ich auch einen niedrigeren Grenzwert an. Man kann bis 2003 oder 2005 auf bis zu ein Drittel des heutigen Wertes heruntergehen – ohne Qualitätseinbußen.

Sie wollen auch einen Warnhinweis aufs Handy kleben?

Ja. Eine britische Studie hat ergeben, dass intensive Handynutzung bei Jugendlichen besonders bedenklich ist. Deshalb wird dort empfohlen, dass Jugendliche unter 16 Jahren nicht mobil telefonieren sollten. Ich möchte das übernehmen.

Ein Hinweis wie auf Zigarettenschachteln – ist das denn vergleichbar?

Kinder, die viel telefonieren, bekommen dreimal häufiger Blutkrebs. Sie sind insgesamt anfälliger für Handystrahlen. Man sollte die Risiken schon ernst nehmen. Man muss Kindern nicht immer ein Handy mitgeben – man kann sie auch bitten, öfter mal von Telefonzellen aus anzurufen.

Millionen Kinder besitzen ein Handy – und können damit im Notfall auch mal schneller Hilfe holen. Ist es nicht etwas hysterisch, ihnen das mobile Telefonieren zu verbieten?

Es geht nicht darum, es zu verbieten. Wir müssen aber dafür sorgen, dass die Eltern über das Risiko aufgeklärt werden. Es ist ja schon viel erreicht, wenn etwas sensibler damit umgegangen würde: Indem die Kinder ein Headset benutzen – und das Mobiltelefon auch mal ausgeschaltet zu Hause liegen lassen. INTERVIEW: MATTHIAS URBACH