Zuflucht auch ohne Papiere

Ein „interkulturelles Frauenhaus“ geht neue Wege bei der Hilfe für misshandelte Migrantinnen

Mehr als 2.000 Frauen und ebenso viele Kinder suchen jedes Jahr in Berlin Zuflucht in Frauenhäusern. Über die Hälfte von ihnen haben keinen deutschen Pass. Sie sind Migrantinnen, deren Aufenthaltstatus zumeist an die Ehe mit dem sie misshandelnden Partner geknüpft ist, Asylbewerberinnen oder Frauen, die keinerlei Aufenthaltsstatus mehr haben und aus Angst vor einer Abschiebung in ihrem Heimatland untergetaucht sind. In den sechs Berliner Frauenhäusern konnten nichtdeutsche Frauen oftmals nicht ausreichend betreut werden.

Jetzt gibt es für sie eine neue Anlaufstelle: ein Frauenhaus mit interkulturellem Konzept.

Schon bei deutschen Frauen und ihren Kindern sind die Probleme nach einer Flucht vor dem gewalttätigen Ehemann und Partner ins Frauenhaus immens: Die Betroffenen verlassen oftmals ihr gesamtes soziales Netzwerk und müssen sich mit Sozialämtern, Jobsuche und neuen Schulen für die Kinder herumschlagen. „Für Migrantinnen und Asylsuchende ist die Ausgangslage jedoch wesentlich schwieriger,“ sagt Louise Baghramiam, Mitarbeiterin im Verein „Interkulturelles Frauenhaus“. Sie könnten im Gegensatz zu den deutschen Frauen nicht auf das gesamte Netz der existierenden Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten zurückgreifen.

Haupthürde ist das Ausländerrecht: So ist auch nach der Reform des Paragrafen 19 des Ausländerrechts, das einer misshandelten Frau nach zweijähriger Ehe ein eigenständiges Aufenthaltsrecht und damit die Möglichkeit zur Trennung zugesteht, die Beweislast auf Seiten der Frau: Sie muss die Misshandlungen nachweisen, bevor die Ausländerbehörde eine Duldung ohne den Ehemann erteilt.

Besonders schwierig ist die Situation für Asylbewerberinnen. Das Asylbewerberleistungsgesetz billigt ihnen nur 80 Mark Bargeld im Monat und verringerte Sozialhilfe in Form von Wertgutscheinen zu. Arbeiten dürfen sie nicht. Denkbar schlechte Voraussetzungen also, um sich von einem gewalttätigen Ehemann im laufenden Asylverfahren zu trennen. Louise Baghramiam verweist auf den Fall einer kurdischen Asylsuchenden, die vom Verein „Interkulturelles Frauenhaus“ betreut wird. Nach jahrelangen Misshandlungen hatte die Kurdin sich von ihrem Ehemann, der als politischer Flüchtling anerkannt war, getrennt, während sie selbst noch im Asylverfahren war. Die 27-Jährige lebt seit drei Jahren in einem Frauenhaus. Doch an eine eigene Wohnung ist nicht zu denken. Das Arbeitsamt weigert sich, ihre eine Arbeitserlaubnis zu erteilen, obwohl sie mehrere Jobangebote vorweisen kann. Und das Sozialamt verweigert die Kostenübernahme für eine eigene Wohnung und eine dringend notwendige Therapie.

Dieser Fall sei „kein Einzelfall“, betont Louise Baghramiam. Gemeinsam mit den Gründungsmitgliedern des Vereins Interkulturelles Frauenhaus hat sie jahrelang mit Betroffenen gearbeitet. Ihre Beobachtung: In den sechs bestehenden Frauenhäusern in Berlin sei das Angebot für nichtdeutsche Frauen oftmals nicht ausreichend – sei es aus Geldmangel oder mangelnder Sensibilität für deren spezifische Probleme. Dem will das Team des Interkulturellen Frauenhauses ein neues Konzept entgegensetzen: Das dreistufige Angebot – Beratungsstelle, Frauenhaus und Wohnprojekt – soll 50 Frauen und Kindern kurz- und langfristige Zufluchtsmöglichkeiten bieten. Seit gestern sind die Beratungsstelle in Schöneberg und das Frauenhaus geöffnet. Rechtsberatung, Deutschkurse und ein interkulturelles Konzept werden angeboten. HEIKE KLEFFNER

Telefon: 80 10 80 10, 80 19 59 80