Nato braucht neues Mandat in Makedonien

Bisheriger Status ist an KFOR-Einsatz im Kosovo gebunden. Einsatz zur Entwaffnung der Albaner wirft viele, auch rechtliche Probleme auf

SKOPJE taz ■ Die in Makedonien stationierten Nato-Truppen, und nicht nur die aus Deutschland, sind derzeit wenig auskunftsfreudig. Die Diskussion über einen möglichen Einsatz von Nato-Truppen für die Entwaffnung der UÇK-Rebellen in der „Ehemaligen Jugoslawischen Republik Makedonien“, so die offizielle Bezeichnung des Staates durch die Nato, ist in vielen Ländern ein sensibles Thema. Immerhin herrscht bei höheren Rängen und bei Diplomaten in Skopje ein anderes Klima vor. Gerade die öffentliche Diskussion über den Einsatz sei notwendig, um ihn zu einem Erfolg werden zu lassen, wird argumentiert. Denn ein solcher Einsatz berge viele Risiken, die bedacht werden sollten.

Bisher ist das Verhältnis der Nato zu Makedonien durch das „PfP-SOFA“-Abkommen definiert, das am 18. Juni 1995 unterzeichnet, und mit dem Makedonien in das Programm „Partnerschaft für den Frieden“ aufgenommen wurde. Seither leistet die Nato Hilfe bei dem Aufbau der Armee, auch der Grenzsicherung. Einige wenige Spezialisten und Ausbilder der Nato halten sich auf der Grundlage dieses Abkommens im Lande auf. Das Gros der 2.800 Frauen und Männer aus rund 12 Nationen, die hier ihren Dienst tun, ist im Rahmen der Kosovo-Force, der KFOR, eingesetzt. Diese Truppe sorgt für den Nachschub für die von der Nato geführten Truppen im Kosovo. Zwölf Nationen sind an ihr in Makedonien beteiligt, Briten, Franzosen, Amerikaner, Türken, Belgier, Deutsche und andere. Und diese KFOR-Truppe verfügt in Makedonien über ein eindeutig definiertes Mandat.

Als Gast des Landes ist sie gebunden an ein Abkommen, das am 23. Dezember 1998, vor dem Einsatz der Nato im Kosovo, getroffen wurde. Makedonien sollte als logistische Basis für die Friedensmission dienen, die im Rahmen des später in Rambouillet verhandelten Vertrages vorgesehen war. Als die jugoslawische Seite die Unterschrift verweigerte und der Krieg der Nato gegen Jugoslawien begann, berührte dies das Mandat der Nato-Truppen in Makedonien nicht.

Sie sind also keineswegs eine Besatzungsmacht. In einem Briefwechsel zwischen dem Nato-Generalsekretär George Robertson und der Außenministerin Makedoniens, Ilinka Mitreva, vom 18. Mai 2001, wurden noch einmal die grundlegenden Prinzipien der Zusammenarbeit betont – so die Verpflichtungen, die sich aus der UN-Resolution 1244 wie aus dem vorausgehenden Abkommen von 1998 ergeben. Danach ist das Nato-Personal verpflichtet, sich an die Gesetze des Landes zu halten und sich politischer Aktivitäten zu enthalten. Sie könnten im Lande lediglich dann eingesetzt werden, wenn die Regierung des Landes darum bittet. Dies geschah vorige Woche in Aracinovo. In dem von der UÇK besetzten und von makedonischen Truppen angegriffenen Dorf evakuierten US-Truppen auf Wunsch der Regierung die UÇK-Kämpfer. So konnten die Kämpfe gestoppt werden.

In diesem Fall ist jedoch eine Grenzüberschreitung deutlich geworden. Bei einem Projekt wie dem jetzigen, nämlich unter bestimmten Umständen 3.000 Soldaten zur Entwaffnung der UÇK zu entsenden, würden sich die Nato-Truppen auf juristisch unsicherem Gebiet bewegen. Denn bisher können bei Gesetzesverstößen von KFOR-Soldaten zwar die nationalen Gerichte Recht sprechen, doch Makedonien hat einen Vorbehalt durchgesetzt. Nach einer Frist von 14 Tagen könnte Makedonien diesen Prozess an sich ziehen. Für eine Friedenstruppe aber, die ja nicht nur eine Truppe entwaffnen, sondern nach der Entwaffnung die albanische Bevölkerung auch vor möglichen Racheakten schützen muss, wäre dies ein zu großes Handikap. Es könnte ja in einem solchen Fall durchaus vorkommen, dass Nato-Truppen auf slawische Makedonier schießen müssten.

Es gibt noch viele weitere Details, die bei einem möglichen Einsatz von Nato-Truppen bedacht werden müssen. Deshalb gehen Diplomaten und hohe Militärs der Nato in Skopje davon aus, dass ein neues Mandat auf der Grundlage des PfP-SOFA-Abkommens von 1995 für die neue Truppe ausgehandelt werden muss, das von der UN gestützt werden müsste, erklärte ein deutscher Diplomat. Dieser Prozess nähme mindestens einige Wochen in Anspruch. An einen sofortigen Einsatz der Truppe ist also nicht zu denken. Weiterhin ist mit den politischen Vorgaben, die durch den Beschluss des Nato-Rates gesetzt sind, ein schneller Einsatz der Truppe ausgeschlossen. Niemand kann damit rechnen, dass die Konfliktparteien schon morgen eine politische Lösung finden werden. Ohne eine politische Einigung jedoch wird die Nato nicht aktiv werden. Sie wird auch keinesfalls daran denken, sich an den Frontlinien zu postieren, um die Kämpfe zu unterbinden, erklären hohe Militärs. Allerdings wäre eine Intervention notwendig, wenn die Verhandlungen zu keinerlei Ergebnis führten und sich angesichts der Spannungen zwischen beiden Bevölkerungsgruppen in einem Bürgerkrieg von Paramilitärs und bewaffneten Zivilisten entlüden, in dem viele zivile Opfer zu befürchten sind.

Auf der slawisch-makedonischen Seite sind vorige Woche Zivilisten mobilisiert worden, jetzt sollen nach einer Verfügung des Innenministeriums die damals ausgegebenen Waffen wieder eingesammelt werden. Mit zweifelhaftem Erfolg. Und bei Tetovo haben in der Nacht zum Montag UÇK-Rebellen erstmals slawisch-makedonische Dörfer angegriffen. Bisher waren sie lediglich in albanischen Dörfern aktiv. Unter solchen Bedingungen sei eine politische Lösung noch lange nicht in Sicht, sagt ein Militärberater. „Und damit auch nicht der Einsatz der Nato-Truppen – es sei denn, es kommt zu einem Blutbad.“

ERICH RATHFELDER