Tabu erbrochen

■ Innensenator Scholz will mutmaßlichen Drogendealern Brechmittel einflößen

Die 61 zusätzlichen PolizistInnen sollten nur der Anfang sein. Seit er Ende Mai das Amt des ehemaligen Innensenators Hartmuth Wrocklage (SPD) übernahm, arbeitet die Behörde von Olaf Scholz (SPD) an Maßnahmen, die Drogenkriminalität rund um den Hauptbahnhof einzudämmen. Inzwischen hat Scholz ein neues Konzept entworfen, das zurzeit mit den übrigen Fachbehörden abgestimmt wird. Morgen stellt er es der Öffentlichkeit vor.

Scholz will einerseits die Repression gegenüber mutmaßlichen DrogendealerInnen und -konsumentInnen verschärfen, andererseits das Hilfsangebot für Süchtige ausweiten. Verständigen sich die Ressorts auf sein Papier, könnte demnächst der städtische Bahnhofsvorplatz an die Deutsche Bahn AG verpachtet werden, damit diese dort das Hausrecht erhält und mit privaten Sicherheitsdiensten missliebige Personen wie BettlerInnen und Junkies entfernen kann. Außerdem soll noch konsequenter gegen abgelehnte AsylbewerberInnen vorgegangen werden, die am Hauptbahnhof als „Tatverdächtige“ angetroffen werden. Um Drogendealer zu überführen, schliesst Scholz das Verabreichen von Brechmitteln nicht länger aus.

Vor allem mit der Vergabe von Brechmitteln bricht die SPD ein selbsterklärtes Tabu. Sie sind unter JuristInnen heftig umstritten. Erfahrungen in anderen Bundesländern haben erhebliche gesundheitliche Risiken aufgezeigt: Noch Tage später erbrachen sich viele der Männer blutig, die den Saft Ipecacuanha eingeflößt bekamen.

Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied 1996, dass dies nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu vereinbaren sei: Danach müsse jeweils das mildeste Mittel der Beweissicherung angewandt werden, und verschluckte Drogen könnten ohne weiteres „durch natürliche Ausscheidung“ gesichert werden. Nach diesem Urteil hatte Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD), damals noch Senatorin in Berlin, dort die Brechmittelvergabe gestoppt.

Hamburg hatte im August 1999 eine Richtlinie erlassen, die den Einsatz von Brechmitteln ohnehin überflüssig macht: Seither reicht zum Beweis der Dealerei aus, dass ein Polizeibeamter bei einem mutmaßlichen Täter „Schluckbewegungen“ beobachten konnte.

Elke Spanner