Frauen steigen SPD aufs Dach

Grüne und Frauenverbände laufen Sturm gegen die Verabredung der Regierung mit der Privatwirtschaft, in Zukunft „freiwillig“ mehr auf Belange von Frauen zu achten. Grünen-Fraktionschefin Kerstin Müller: „Das erfüllt nicht den Koalitionsvertrag.“ Frauenministerin Christine Bergmann (SPD) spricht trotzdem von „Durchbruch“

BERLIN taz ■ Ziemlich allein steht die Frauenministerin da mit der „Chancengleichheit in der Privatwirtschaft“. Man muss wohl zwei Jahre lang mit Unternehmerverbänden verhandelt haben, um die Vereinbarung, die sie gemeinsam mit Kanzler Schröder, Wirtschaftminister Müller und den Unternehmerverbänden am Montagabend unterzeichnet hat, noch einen „Durchbruch“ nennen zu können, wie die Ministerin es tat.

Zwar spricht Bergmann von einer „Verpflichtung“ der Unternehmen, die Situation der weiblichen Mitarbeiter zu analysieren und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, doch in der Vereinbarung selbst ist lediglich von einer Empfehlung die Rede. Die SPD-Fraktion, die „harte Kriterien“ gefordert hatte, wurde mit dem Hinweis auf eine Kommission ruhig gestellt, die die Fortschritte der Wirtschaft evaluieren soll, erstmals 2003, dann alle zwei Jahre.

Der Koalitionspartner ist düpiert: „Die Vereinbarung erfüllt nicht den Koalitionsvertrag“, sagte Kerstin Müller, Fraktionschefin der Grünen, der taz. „Davon werden die Frauen nicht viel haben. Die deutsche Wirtschaft wird bei der Gleichstellung weiter hinterm Mond bleiben.“ Auch die Frauenverbände laufen Sturm: „Dreist“ und „skandalös“ nennt Inge von Bönninghausen vom Deutschen Frauenrat die Vereinbarung. Selbst Wirtschaftsminister Müller habe bereits mehrmals festgestellt, dass die Wirtschaft sich freiwillig nicht bewege.

Die Arbeitgeberverbände dagegen sind hoch zufrieden: Quantitative Zusagen könne man natürlich nicht machen, hatte Arbeitgeberpräsident Hundt anlässlich der „sehr vernünftigen Vereinbarung“ verkündet. Der BDI-Pressesprecher Albrecht von der Hagen kündigte ein „Rundschreiben“ an alle Mitgliedsfirmen an, in dem man über die Vereinbarung „informieren“ werde. „Ob es gleich zu einer Broschüre reicht, weiß ich nicht“, sagte von der Hagen.

HEIDE OESTREICH

brennpunkt SEITE 6