Reich der Vollkommenheit skizziert

Alpha-Künstlerin des Soul: Erykah Badu – ohne Isaac Hayes – im Stadtpark  ■ Von Oliver Rohlf

Im vergangenen Februar war Cleveland für eine Nacht Mittelpunkt der Noten. Zumindest wer im Soul sein Seelenheil sieht, wird folgendes Event auch im Nachhinein als legendär abnicken: Nicht genug, dass die große Erykah Badu allein die dortige Arena hätte unangespitzt in den Boden grooven können. Die amerikanische Alpha-Künstlerin des derzeit angesagtes-ten Funk-Formats namens „New Classic Soul“ lud gleich eine Ar-mada Gleichgesinnter auf die Bühne, um einer Vision viele Gesichter zu geben. Common, Musiq, Talib Kweli und Szene-Küken Bilal – sie alle zeigten, wie Sprache, Bewuss-tsein und der gewiefte Beat ein Reich der Vollkommenheit skizzieren können.

Für das Open Air-Konzert am kommenden Mittwoch im Stadtpark hingegen reicht es anscheinend nicht einmal für einen special guest von Format. Eigentlich war ja Legende Isaac Hayes für den stilsicheren Brückenbau zwischen Gestern und Heute vorgesehen, doch seitdem die Primadonna des 70er-Jahre-Straßensoul ohne nennenswerten Grund abgesagt hat, wurde seitens der Veranstalter fieberhaft nach einem halbwegs adäquaten Ersatz gesucht, um diesem Abend den geplanten Hauch von Geschichte zu verleihen. Denn mit den Momenten des Historischen wie dem Ewigbleibenden hat es die Badu ganz besonders.

In ihrem noch recht jungen Wirken als singsang-verknallte Vollbedienung manifestiert sich die junge Frau aus Dallas gerne als Trägerin einer die Elemente umspannenden Mütterlichkeit. Ähnlich, wie die noch jüngere Lauryn Hill bei jeder Gelegenheit ihren Sohn Zion in die johlende Menge hält und sich in biblischer Rethorik übt, sucht auch Frau Badu über ihren Sprößling Tyrone die unmittelbare Nähe zwischen Maternität, Hoffnung und Verheißung herzustellen. Für viele ein Zeichen künstlerischer Überspanntheit, andere sehen in diesen sinngeladenden Gesten auch den bewussten Gegenpol zum stadion-stumpfen Frauenbild unzähliger Black-Music-Acts, bestehend aus den Koordinaten Busen, Po und Vielleicht-Blow-Job.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Hier geht es nicht um eine natur-mythisch überhöhte Abkehr von der Sinnlichkeit inklusive Rückfahrschein zu Mutter Erde in Jesus-Sandaletten und ohne Deodorant. Die neuen Figuren des ältlich arrangierten Soulverständnisses, allen voran Waschbrettbauch-Beau D'Angelo, „Bag Lady“ Badu und die liebevoll ausladende Jill Scott, setzen sehr wohl auf Sexyness. Nur hören hier die Klassenziele auf die Namen Alltag, Geist und die eigene Familie.

Letztere hat Erykah Badu ja bekanntermaßen mit Andre Benjamin aka Dre, noch besser bekannt als die eine Hälfte der Southern HipHopper OutKast, gegründet. Mittlerweile sind die beiden nicht mehr als Paar unterwegs; was bleibt, sind ein kleiner Sohnemann, ein erfolgreiches Lied über schwierige Schwiegermütter („Mrs. Jackson“) und Badus Gastgesang auf OutKasts Album Aquemini. Dass das aktuelle Album Mama's Gun der durchgehend aktiven Sängerin, Songwriterin und Produzentin nicht gänzlich die himmelhoch gesteckten Erwartungen erfüllen konnte, ist erstens nicht so wichtig, lässt die Songs zweitens immer noch besser sein als den Großteil der üblichen Genre-Auswürfe und zeugt drittens eher von der enormen Qualität dieser so bewusst akzentuierten Form von Soul.

Denn merke: Alben wie Baduizm von 1997, Jill Scotts Debüt Who Is Jill Scott? oder D'Angelos ehrfurchterregende Retro-Bombe Voodoo sind mitnichten Soundware für zusammengecastete Perlweiß-Truppen. Sie sind Momente für die Ewigkeit, Zeugen eines Einverständnisses, Eintragungen ins Licht.

mit Cultured Pearls: Mittwoch, 19 Uhr, Stadtpark