Vom JazzPort zum WeltPort?

Jazz gibt es nur ausnahmsweise: Heute beginnt das 12. JazzPort-Festival in Hamburg  ■ Von Knut Henkel

Jazz, so heißt es, kennt keine Berührungsängste, und gleiches gilt für die Macher des 12. JazzPort-Festivals in Hamburg. Wieder haben sie ihren Blick in die Ferne schweifen lassen und Musiker in die Hansestadt gelotst, die wenig bis gar nichts mit dem Genre zu tun haben, dem das Festival noch immer seinen Namen verdankt. Kräftige Einflüsse aus der Karibik waren es im letzten Jahr, als mit Celia Cruz und La India gleich zwei Salsagrößen an den Deichtorhallen gastierten. Eine Referenz der Veranstalter, Jazz and More, an den Kubaboom, so wurde damals geunkt. Dieses „More“ steht auch in diesem Jahr im Mittelpunkt des Festivals, das sich mehr und mehr der so genannten Weltmusik annähert. Für eine Brise Kolorit vom Zuckerhut sorgen die brasilianischen Superstars Gilberto Gil und Milton Nascimento. Beide geben am kommenden Montag ihr einziges Deutschlandkonzert. Der brasilianischen Gemeinde in Hamburg wird es gefallen, und den Veranstaltern ist ein volles Zelt wohl sicher.

Der Auftakt des Festivals orientiert sich hingegen an Londoner Dancefloors: Morcheeba und das indisch-britische Dancefloor-Mastermind Talvin Singh bitten zum Tanz. Mit Singh hat man den Guru der Londoner Asian-Dance-Cul-ture eingeladen. Der begnadete Tabla-Spieler mit Zweitwohnsitz Bombay bezeichnet sich als Nomade in Sachen Kultur. Unablässig ist der klassisch ausgebildete Musiker auf der Suche nach Neuem. Nachdem er Drum'n'Bass mit indischen Musikstilen fusioniert und mit seinem eigenen Asian-Dance-Club das Nachtleben bereichert hat, kann er sich als Musiker wie als DJ vor Anfragen kaum retten. Doch Singh macht sich rar, und so ist das Konzert in Hamburg auch das einzige in Deuschland. Lieber tüftelt er an Remixen, arrangiert und schreibt neue Stücke, begibt sich auf die Suche nach neuen Einflüssen, anstatt zu touren. So darf man gespannt sein, was er in Hamburg aus der Tabla und dem Mischer zaubert, wenn er den Tanzboden für Morcheeba bereitet.

Sechs Jahre ist es her, dass Morcheeba mit Trigger Hippie ihre Karriere mit schwermütigem Trip-Hop begannen. Düsternis und Melancholie, verwoben mit vertrackten Beats, waren ihr Markenzeichen. Das haben die drei eigenwilligen Musiker abgestreift, nachdem sie nach zahlreichen Tourneen die eigene Musik nicht mehr hören konnten, so Gitarrist Paul Godfrey. Man verordnete sich eine Pause und entdeckte die Musik der eigenen Jugend neu. Einflüsse wie Grand Master Flash, Michael Jackson oder die Staple Singers sind auf Fragments of Freedom nicht zu überhören und, so Sängerin Skye Edwards, absolut gewollt, eine Reise in die Musik ihrer Kindheit. Morcheeba haben zum Funk, Soul und klassischem R'n'B gefunden. Äußerst tanzbare Stücke wie „Be Yourself“ oder „Good Girl Down“ sind dabei herausgekommen und werden sicherlich auch unter den Stoffbahnen an den Deichtorhallen einschlagen.

Nicht nur der Auftaktabend wird wenig jazzig. Genrepuristen kommen kaum auf ihre Kosten und werden einmal mehr die Nase rümpfen, ob des Missverhältnisses zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Doch mit klassischem Jazz ist das Zelt auch kaum zu füllen – und auch nicht die Kasse des von der Kulturbehörde unterstützten Festivals. Innovatives steht allerdings mit Nils Petter Molvaer, der schon im letzten Jahr Modern Jazz-Akzente setzte, auch dieses Jahr auf dem Programm. Der Norweger setzt auf die Fusion von Jazz, Ambient und Drum'n'Bass und gibt sich, wenn man so will, ähnlich experimentierfreudig wie Miles Davis zu seiner Zeit. Und der war den Gralshütern der reinen Jazzlehre bekanntlich auch einmal ein Dorn im Auge.

heute: Talvin Singh/Morcheeba; morgen: Marc Ribot y Los Cuba-nos Postizos/Rae & Christian feat. The Congos; 7.7.: PJ Harvey (Supp. Cucumbermen); 8.7.: Tindersticks; 9.7.: Gilberto Gil & Milton Nascimento; 10.7.: Ben Harper & The Innocent Criminals (Supp.: NASH); 12.7.: Nils Petter Molvaer; 13.7.: Robert Cray Band, jeweils 20 Uhr, JazzPort-Zelt/Deichtorhallen. Das Konzert von Bill Laswell am 11.7. entfällt!

Infos unter www.jazzport.de, Ticket-Hotline: Tel. 446423