Brechmittel für die Koalition

Senat stellt neue Maßnahmen für St. Georg vor. GAL hat schwer zu schlucken. Regenbogen: Kniefall vor Rechtspopulismus  ■ Von Elke Spanner

Nur Innensenator Olaf Scholz (SPD) war zum Lachen zumute. Selbst Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD), sonst die Contenance in Person, blickte drein, als habe sie etwas Ungenießbares verschluckt. Und der grüne Senator Willfried Maier hatte sichtlich Probleme, Worte zu finden. Er erzählte davon, dass man in Hamburg weitere Drogentote vermeiden wolle, dass man dafür weitere Fixerstuben bräuchte und dafür eben auch „in einem Gesamtpaket Maßnahmen mittragen muss, die man nicht für richtig hält“. Der Preis, den die GAL für den zweiten Druckraum in St. Georg zahlt: Brechmittel für mutmaßliche Kleindealer, Strafverfolgung auch für DrogenkonsumentInnen, stärkere Videoüberwachung öffentlicher Plätze sowie der sofortige Abtransport von dealenden Asylbewerbern, wenn diese in Hamburg nicht gemeldet sind (taz berichtete). Gestern stellte der Senat sein „Handlungskonzept St. Georg“ vor.

Die Abgeordneten der Regenbogen-Bürgerschaftsgruppe, die dem Innensenator aus Protest symbolisch einen Platzverweis erteilten, bezeichneten das Konzept als „Kniefall vor dem Rechtspopulismus“. Selbst die zweite Bürger-meisterin Krista Sager (GAL) kommentierte später die Einführung von Brechmitteln als „symbolische Politik. Der Koalitionspartner wollte im Wahlkampf ein Thema entschärfen.“

Innensenator Scholz betonte, dass Brechmittel keine politische Maßnahme seien, sondern dem Beweis der Dealerei dienten. In der Vergangenheit hatte seine Fraktion stets gesagt, dass dafür gar kein Bedarf bestünde. Zum Beweis dafür, dass ein mutmaßlicher Dealer den Stoff in Mund und Magen verwahrt, reicht in Hamburg nämlich schon aus, dass ein Polizist Schluckbewegungen beobachtet hat. Auch gestern hatte Scholz kein Argument, warum Brechmittel plötzlich notwendig geworden sein sollen. Es gäbe „in jüngster Zeit Hinweise darauf“, lavierte er, „dass es Fälle gegeben haben könnte, in denen Ermittlungen nicht zur Anklage geführt haben, weil Brechmittel fehlte“. Wieviele Fälle das gewesen sein sollen, vermochte auch Peschel-Gutzeit nicht zu sagen. Irgendwann machte die Zahl Zwei die Runde.

Dass sie dennoch eine Kehrtwendung machen, erklärten die SenatorInnen damit, dass sich zumindest die medizinische Beurteilung geändert habe. Brechmittel haben schon zu tagelangem blutigem Erbrechen und in Einzelfällen sogar zum Tode geführt. Inzwischen aber gäbe es einen „mexikanischen Sirup“, den der Leiter des rechtsmedizinischen Institutes am UKE, Klaus Püschel, für unbedenklich erklärt habe. Püschel sei auch bereit, Tatverdächtigen den Saft durch eine Nasensonde einzuflößen.

In der GAL ist die Zustimmung zu dem Konzept geteilt. Während Krista Sager das Konzept als „intelligenten Mix“ vermarktete, bezeichnete Fraktionsvorsitzende Antje Möller Brechmittel als „Eingriff in die Menschenwürde“. Eine Koalitionskrise, betonte sie, habe das Thema jedoch nicht ausgelöst.