Freier Handel bald auch in China

Durchbruch bei den Verhandlungen über die letzten strittigen Punkte zur Aufnahme Chinas in die Welthandelsorganisation. Wahrscheinlicher Beitrittsbeschluss bei der Ministertagung in Katar im November, offizieller Beitritt dann Anfang 2002

von SVEN HANSEN

Vorraussichtlich Anfang nächsten Jahres wird Chinas 15-jähriges Ringen um die Aufnahme in die Welthandelsorganisation erfolgreich abgeschlossen sein. Am Mittwochabend endete die vorerst letzte Verhandlungsrunde am Sitz der Organisation in Genf. Vertreter Chinas, der USA und der EU hatten über die letzten noch sechs Tage lang weitgehend erfolgreich verhandelt.

„Ich kann sagen, dass wir einen großen Durchbruch in den wichtigen Fragen für Chinas Aufnahme erzielt haben“, sagte der Schweizer Verhandlungsleiter Pierre-Louis Girard. Fortschritte seien in den Bereichen Patentschutz sowie Agrarsubventionen erzielt worden. In diesem Punkt hatten andere Länder befürchtet, dass eine Einigung zwischen China und den USA über niedrige Subventionshöhen als Präzedenzfall für andere Staaten gewertet werden könne.

Chinas Aufnahmeprozess könne, laut Girard, in sehr naher Zukunft Zeit abgeschlossen werden. Der Leiter der chinesischen Delegation, Long Yongtu, stimmte Girards Einschätzung zu. Er sagte jedoch auch, es sei noch kein Zeitpunkt zum Feiern. Zugleich kündigte er aber an, gleich bis zur am 16. Juli beginnenden nächsten Gesprächsrunde in Genf bleiben zu wollen.

Mitglieder der europäischen und amerikanischen Verhandlungsdelegationen äußerten sich optimistisch, dann die noch umstrittene Frage der Lebensversicherungen regeln zu können. Die Europäer wehren sich gegen Begünstigungen, die China schon vor einiger Zeit der amerikanischen Versicherung AIG eingeräumt hat. Die in den Zwanzigerjahren in Schanghai gegründete Gesellschaft darf als einzige ausländische Versicherung ohne einheimischen Partner auf dem chinesischen Markt expandieren. Die Europäer pochen auf Gleichbehandlung.

Als letztes der 141 WTO-Mitgliedsländer muss auch noch Mexiko dem Beitritt Chinas zustimmen. Die Mexikaner befürchten eine Überschwemmung ihres Marktes mit preiswerten chinesischen Industrieprodukten, haben aber signalisiert, dass an ihnen der Chinas WTO-Beitritt nicht scheitern soll.

Sollten bei der nächsten Gesprächsrunde im Juli die endgültigen die Formulierungen der Beitrittsverträge vorliegen, kann Einschätzung aus WTO-Kreisen zufolge bis voraussichtlich September ein Vertragspaket durch die Parlamente ratifiziert werden. Bei der WTO-Ministerratstagung in Katar im November kann dann Chinas Aufnahme offiziell beschlossen werden. Danach muss Chinas Nationaler Volkskongress zustimmen, und genau dreißig Tage später und damit Anfang 2002 wird die neuntgrößte Handelsmacht der Welt dann WTO-Mitglied. Mit Chinas offizieller Mitgliedschaft kann auch Taiwan der Organisation beitreten.

Von Chinas WTO-Mitgliedschaft versprechen sich westliche Firmen einen leichteren Zugang zum riesigen chinesischen Markt, vor allem in die noch abgeschirmten Bereiche, sowie eine Beschleunigung der Wirtschaftsreformen. Die Regierung in Peking hofft auf einen Modernisierungsschub und bessere Exportmöglichkeiten zum Beispiel im Textilsektor. Sie fürchtet aber auch steigende Arbeitslosigkeit in nicht wettbewerbsfähigen Branchen. Zwar darf bezweifelt werden, dass China sich wortgetreu an die Vereinbarungen halten wird, doch dürfte der WTO-Beitritt eine Dynamik auslösen, die China nicht nur stärker in die Weltgemeinschaft integriert, sondern auch die politische Liberalisierungen befördert.