„Die Wirtschaft ist mit im Boot“

Was bringt die Vereinbarung zur Gleichstellung von Frauen? Ein Gespräch mit Christel Humme von der Arbeitsgemeinschaft Frauen in der SPD-Fraktion über Sinn und Unsinn der neuen Übereinkunft zwischen Politik und Wirtschaft

Das geplante Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft, das eine freiwillige und eine verbindliche Phase vorsah, ist vom Tisch. Stattdessen gibt es nun eine wenig verbindliche Vereinbarung.

taz: Im Koalitionsvertrag war ein Gleichstellungsgesetz vereinbart. Nun winkt die Fraktion eine „Empfehlung“ durch. Wie wollen Sie das ihren Wählerinnen erklären?

Christel Humme: Der Gesetzentwurf sah in seiner ersten Stufe auch freiwillige Maßnahmen zur Frauenförderung vor, ebenso wie die Vereinbarung. Ein Gesetz wollte die Wirtschaft nicht, mit der Vereinbarung haben wir sie mit im Boot.

Ob sie mit im Boot ist, ist die Frage. Sogar Wirtschaftsminister Müller hat festgestellt: Ohne äußeren Druck ändert sich nichts. Warum sollte das nun anders sein?

Wenn die Vereinbarung nicht greift, dann wird ein Gesetz kommen, das ist ein Beschluss der SPD-Fraktion. Aber wenn sich in den Köpfen nichts ändert, nützt auch das schönste Gesetz nichts. Die Vereinbarung bietet eine Chance: Jetzt haben wir ein Gremium, das aus Wirtschaft und Politik paritätisch besetzt ist und auf die Umsetzung schaut. Es macht in diesem Jahr eine Bestandsaufnahme, 2003 wird begutachtet. Etwas anderes hat der Gesetzentwurf auch nicht vorgesehen. Wenn dann nichts passiert ist, wird es eine neue Diskussion geben, und zwar gleich um verbindliche Massnahmen mit Sanktionen.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie schickt nun einen Informationsbrief an die Unternehmen. Ist das die Umsetzung dieser Vereinbarung?

Ein Brief kann nur ein Startschuss sein. Wir müssen in allen Bereichen einen Umdenkprozess in Gang setzen.

Und wie?

Jetzt haben wir ein Gremium, das gucken kann und das auch Öffentlichkeit herstellen kann. Ich glaube, das ist eine Chance.

Die Fraktion stimmt dieser Vereinbarung also zu?

Das hängt auch davon ab, wie das Gremium besetzt wird und wie es arbeitet. Das werden wir im Herbst beurteilen und dann entscheiden. Das Geklapper der Wirtschaft wird schnell leiser werden, weil sie bald erkennen wird, dass ohne das Potenzial der Frauen der demografische Wandel nicht zu bewältigen sein wird.

Wo liegt denn der Maßstab dafür, ob etwas passiert ist oder nicht?

Das ist der Vergleich zwischen Bestandsaufnahme und dem, was 2003 bei der Evaluierung herauskommt. Gemessen werden Quantität und Qualität: ob man etwa die Arbeitszeiten flexibler macht, das kann man nicht nur in Prozenten ausdrücken.

Und wenn es dann minimale Fortschritte gibt? Kommt dann trotzdem ein Gesetz?

Das müssen wir erst mal abwarten und dann diskutieren.

Heißt das denn, dass die Frauen in der Fraktion nie besonders scharf auf ein Gesetz waren? Jetzt meinen sie anscheinend, Freiwilligkeit sei ohnehin besser.

Das ist eine Unterstellung. Wenn aber die Menschen selbst von einer Idee überzeugt sind, ist das besser, als wenn man ihnen etwas vor die Nase setzt, was sie nicht einhalten wollen.

Dann hätten Sie das Gesetz gar nicht in den Koalitionsvertrag schreiben müssen, sondern stattdessen: Wir wollen einen Überzeugungsprozess in Gang setzen.

Nein, sie müssen den politischen Prozess dabei beachten. Die Frauen haben natürlich nicht die Mehrheit in der Fraktion, sie sind ein Drittel, aber dieses Drittel stand hinter dem Gesetz. Jetzt haben wir eine neue Chance, und wir wären schlecht beraten, diese Chance nicht zu nutzen.

INTERVIEW: HEIDE OESTREICH