Weibliches Wohnen

Äußerlich ist der Beginenhof in Bremen eine moderne, durchdachte Wohnanlage. Dreistöckige Häuser umschließen einen bepflanzten Innenhof. Die Fassaden in freundlichen Farbtönen, viele Balkone, helle Wohnräume, begrünte Dächer. Inhaltlich ist er das größte Frauenwohnprojekt Deutschlands und stützt sich auf die wiederbelebte Tradition der Beginenkultur. 72 Frauen mit mehr als zwanzig Kindern definieren die Wohngemeinschaft neu. Männer haben lediglich Gastrecht. Ob die hier lebenden Frauen „hetero, frigide oder lesbisch“ sind, so Initiatorin Erika Riemer-Noltenius, „das ist piepegal.“ Die modernen Beginen leben in individuell geschnittenen Ein- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen und treffen sich nicht nur auf den langen Außengängen, die das übliche Treppenhaus ersetzen.

Gemeinschaftsräume sind im Baukonzept ebenso vorgesehen wie Spielplatz, Kindergarten und Wellnessbereich sowie eine Art Wirtschaftszeile im Erdgeschoss, wo zum Beispiel ein Fitnessstudio, ein Mädchentreff, ein Internetcafé, Restaurants und Geschäfte sowie einige selbstständig arbeitende Frauen wie Rechtsanwältin oder Krankengymnastin gerade ihre Räumlichkeiten beziehen.

Wohnen und Wirtschaften unter einem Dach zu vereinen, das war auch ein Ziel der Beginen im Mittelalter. Ende des 12. Jahrhunderts bildeten sich in Europa Gemeinschaften von allein stehenden Frauen und Witwen, die weder in den Stand der Ehe noch in ein Kloster eintreten wollten. Mit ihren selbst verwalteten Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaften knüpften sie zwar an die Traditionen des Klosterlebens an, waren aber nicht dem Kontrollreglement des Klerus unterworfen. Ihre historische Hochburg lag in Belgien und Holland.

Woher der Name Begine kommt, ist wissenschaftlich nicht ganz geklärt. In anderen Ländern hießen Frauen dieser Bewegung Papelarden (Frankreich), falsche Priesterinnen, Bizoken (Italien), Papstfeindliche. Der Name Begine wurde zum negativ besetzten Begriff, da er sich, wie heute vermutet wird, auf die Verknüpfung zur Ketzerbewegung der Albigenser bezog. In Deutschland wurde die Beginenkultur gewaltsam durch die Reformationsbewegung beendet.

Die modernen Beginen rücken die positive Tradition der selbstständigen, generationsübergreifenden Frauengemeinschaften in den Vordergrund. Der Bremer Verein hat mittlerweile zweihundert Mitglieder. Um den Neubau verwirklichen zu können, wurde Ende 1999 eine Wohnungsbau Kooperative eG gegründet. Jede Mieterin und Eigentümerin ist Mitglied dieser Genossenschaft mit einem Mindestanteil von 1.250 Mark.

Noch in der Bauphase befindlich, war das Bremer Beginenhofmodell wegen „der Vielfalt an zukunftsweisenden Aspekten“ offizielles Expo-2000-Projekt. Das brachte Bekanntheit und Resonanz, aber keine finanzielle Unterstützung – sieht man einmal von den zweitausend Mark Preisgeld ab, die der Bremer Senat in einem Wettbewerb für nachhaltige stadtteilbezogene Projekte dem Beginenhof zusprach.

Kontakt: Bremer Beginenhofmodell e.V.. Beginenhof 9. 28201 Bremen. Telefon: 0421-1655242, www.beginenhof.de ANNETTE KANIS