Olympiakomplexe

1895, ein Jahr vor den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit in Athen, schrieb deren „Erfinder“ Baron Pierre de Coubertin gemeinsam mit dem griechischen Kronprinzen an die damaligen Herrscher der Qingdynastie, China möge an den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit teilnehmen. Doch die Chinesen konnten sich unter modernen Sportwettkämpfen nichts vorstellen und ließen deshalb die Einladung unbeantwortet.

Den ersten Nachweis für ein wachsendes Interesse Chinas an den Olympischen Spielen liefert ein Artikel in der Zeitschrift Tianjin Youth aus dem Jahr 1908: „Wann kann China einen Athleten zur Olympiade entsenden? Wann kann China eine Mannschaft entsenden? Wann kann China die Olympischen Spiele austragen?“

Hinter den Worten des Artikelautors Zhang Bocen erkennt Xiong Xiaozheng, Leiter des chinesischen Sportmuseums, einen von Anfang an bestehenden und bis heute währenden „Olympiakomplex“ der Chinesen. „China galt lange Zeit als der ,kranke Mann in Ostasien‘. Gerade deshalb hatten viele Chinesen von früh an das dringende Bedürfnis, über den Sport in direktem Wettbewerb mit den starken Mächten des Westens zu stehen, um so die Würde ihres Landes verteidigen zu können.“

Doch vorerst fand der Wettbewerb nicht statt. Zwar nahm schon 1932 in Los Angeles mit dem Kurzstreckenläufer Liu Changchun zum ersten Mal ein chinesischer Athlet an Olympischen Spielen teil. Doch hat China bislang nur an neun von bislang 24 Olympischen Sommerspielen eigene Delegationen entsandt. Verantwortlich dafür sind die Politik und der Kalte Krieg zwischen West und Ost.

So wurde China bei den Spielen zwischen 1960 und 1972 von ausschließlich taiwanischen Sportlern vertreten. Erst bei den Spielen von Los Angeles im Jahr 1984 nahm zum ersten Mal eine große Delegation aus der Volksrepublik teil. Damals errang der Sportschütze Xu Haifeng am ersten Tag der Spiele Chinas erstes olympisches Gold.

Zum Helden von Los Angeles avancierte der Turner Li Ning, der mit drei Gold-, einer Silber- und einer Bronzemedaille erfolgreichster Sportler der damaligen Spiele.

Fortan wuchs die Olympiapräsenz Chinas und mit ihr der Dopingverdacht gegen chinesische Sportler. Besonders die chinesischen Schwimmer gerieten in Verruf. Bis China zu Maßnahmen griff: Vor Sydney im vorigen Jahr wurden mehrere dutzend medaillenverdächtiger Sportler wegen Dopingverdacht vom chinesischen Olympiaverband ausgemustert.

Trotzdem brachte Sydney für China den sportlichen Durchbruch. Mit 28 Goldmedaillen belegte man den dritten Platz im Medaillenspiegel. Seither glauben viele Chinesen, endlich mit den Sportgroßmächten USA und Russland konkurrieren zu können.

Doch sind die chinesischen Sportler vor allem in weniger publikumswirksamen Sportarten erfolgreich: Schießen, Gewichtheben und Ringen gehören zu ihren Spezialitäten. Die für China wichtigsten Medaillen wurden bislang im Tischtennis, Turnen und Kunstspringen gewonnen.

Offizielle Website der Pekinger Olympiabewerbung: www.olympic@china.com GEORG BLUME