Dieses Boot ist wirklich voll

■ „Kurz vor dem Kollaps“: Die Wohnschiffe in Neumühlen sind zu 67 Prozent überbelegt. Vor der Wahl soll es keine zusätzlichen Flüchtlings-Unterkünfte geben

Wären die „Bibby Altona“ und „Bibby Challenge“ Fahrschiffe, die Behörden würden ihnen die Auslaufgenehmigung verweigern. Denn die beiden Wohnschiffe für ZuwandererInnen in Neumühlen haben 800 „Passagiere“ zuviel an Bord: „Die Situation ist kurz vor dem Kollaps“, warnt der Hamburger Arbeitskreis (AK) Asyl. Entspannung ist nicht in Sicht: Laut interner Aussage von Sozialsenatorin Karin Roth (SPD) sollen vor der Bürgerschaftswahl keine neuen Unterkünfte eingerichtet werden.

Offiziell gibt es auf Bibby Altona und Bibby Challenge 1200 Plätze. Gemeldet sind über 2000 BewohnerInnen – eine Überbelegung von 67 Prozent. „Das Problem ist hausgemacht“, sagt der AK Asyl. Denn bis 1998 gab es noch 2300 Plätze auf vier gecharterten Schiffen. Dann aber brauchte die Stadt Platz für die Neubebauung in Neumühlen. Außerdem meinten Sozialbehörde und der Landesbetrieb „pflegen und wohnen“, der die Schiffe betreut, ab 1999 würden nur noch zwei Schiffe benötigt. Der Chartervertrag für „Bibby Kalmar“ und „Bibby Stockholm“ wurde nicht verlängert.

Außerdem sind laut AK Asyl auf den Schiffen Personen untergebracht, die dort gar nicht oder nicht mehr hingehören. Denn offiziell bilden die Schiffe die „Zentrale Erstaufnahmestelle“ (ZAST) in Hamburg. Diese dient nur der ers-ten, nicht der dauerhaften Unterbringung von Flüchtlingen. Laut Gesetz sind AsylbewerberInnen „längstens bis zu drei Monaten“ verpflichtet, in der ZAST zu wohnen. Tatsächlich, so der AK Asyl, wohnen viele dauerhaft auf den Schiffen, weil in Häusern oder Containerdörfern auch kein Platz mehr sei. Hinzu kämen Menschen, die gar keinen Asylantrag gestellt haben, wie Flüchtlinge aus Afghanistan, bei denen „von einem dauerhaften Aufenthalt auszugehen ist“ sowie AussiedlerInnen, Kontingentflüchtlinge und jüdische ZuwandererInnen.

Bis zu vier Personen müssen sich auf den Schiffen ein 14-Quadratmeter-Zimmer teilen. Die Enge führt zu Konflikten untereinander – und mit den Nachbarn, so der AK Asyl, denn „die nach außen sichtbaren unhaltbaren Zustände verstärken Ressentiments und Fremdenfeindlichkeit“. Darunter würden besonders die Kinder leiden.

Der AK Asyl fordert, die Schiffe ganz zu schließen und die ZAST in die Bezirke zu dezentralisieren. Für Familien, alleinstehende Frauen und Kranke solle es spezielle Unterkünfte geben. Flüchtlinge mit Aufenthaltsperspektive sollten Zugang zu regulärem Wohnraum erhalten.

Das würde sogar Kosten sparen, denn für ein Schiff mit rund 500 Plätzen bezahlt die Stadt etwa 230.000 Mark Charter monatlich. Rechnet man pro Person 300 Mark Miete, so würde die Anmietung von Wohnungen für diese 500 Zuwanderer nur 150.000 Mark monatlich kosten. Heike Dierbach