Der Kunstverein hält die Hand auf

■ Das Bremer Museum fordert eine Million Mark mehr, um nicht immer zwischen Champions League und Kreisklasse auf- und abzusteigen / Eine Schlange für das Schlangenmanagement bekam die Kunsthalle schon

Die Kunsthalle und der Museumseigentümer Kunstverein fordern erneut eine deutliche Zuschusserhöhung. Von einer Million Mark im Jahr sprach gestern der Kunsthallendirektor Wulf Herzogenrath am Rande einer Preisverleihung. „Wir können nicht mit Ausstellungen wie ,van Gogh' oder ,Der Blaue Reiter' kurz in der Champions League spielen und dann wieder für Monate in unteren Tabellen-Bereichen verschwinden“, sagte der Museumsmann.

Der städtische Zuschuss an die Kunsthalle ist in den vergangenen Jahren zweimal stark erhöht worden. Von 1,9 Millionen Mark Mitte der 90er Jahre kletterte er auf inzwischen 3,3 Millionen Mark. Trotzdem reicht das Geld nach Auffassung der Museumsleute nicht, um auch die Ausstellungen neben den Großereignissen professionell bewerben zu können. „Richard Oelze war eine sehr gute Ausstellung, doch uns fehlten Geld und Personal, um auch dafür wirkungsvolle Werbeaktionen machen zu können“, stellt Kunsthallen-Geschäftsführer Hans Diers fest.

Zum Vergleich verweisen die Kunsthallen-Manager auf die Etats von anderen Häusern und bemerken, dass sich selbst Eske Nannens Emder Kunsthalle mittlerweile zu einem Konkurrenten entwickelt habe. „Das Lenbachhaus in München bekommt einen städtischen Zuschuss von 10,5 Millionen Mark“, seufzt Herzogenrath, „und die essen auch nicht mit goldenem Besteck.“ Die BremerInnen würden sich damit behelfen, drei Jobs gleichzeitig zu machen. Aber zum Beispiel eine kontinuierliche nationale oder gar internationale Pressearbeit sei mit dem derzeitigen Etat nicht drin.

Der Kunstverein hat nicht nur wirtschaftlich viele Argumente auf seiner Seite (siehe nebenstehenden Artikel). Auch juristisch geht das Museum mit einer solideren Basis in die nächsten Verteilungskämpfe als viele andere Kultureinrichtungen: Ein jahrzehntealter Vertrag mit der Stadt garantiert dem Kunstverein die Übernahme der Sach- und Personalkosten durch Bremen. Trotzdem bezahlen nach Vereinsangaben noch immer Mitglieder das Klopapier. Der Verein hatte auf Erfüllung dieser Pflichten geklagt, das Verfahren aber zunächst ruhen lassen. Sollte keine Einigung bei den derzeit laufenden Verhandlungen zustande kommen, hat Vereinsvorsitzender Georg Abegg in einem Zeitungsinterview mit der Aktivierung der Klage gedroht.

Für die Großveranstaltungen gibt es keinen oder kaum noch Gegenwind. Obwohl die Kunsthalle immer wieder auch die wissenschaftlichen Aspekte der Events betont und nicht nur mit dem Van-Gogh-Projekt „Felder“ über die Landschaftsbilder des Künstlers im nächsten Jahr auch Wissenslücken schließt, geht es in erster Linie um die kulturwirtschaftliche Bedeutung. Es ist wie mit den Musicals: Längst setzen auch andere Städte auf die Einnahmequelle museales Großspektakel. Und sie bauen sich ein neues Haus nach dem anderen. Allein in Nordrhein-Westfalen eröffnen in diesen Jahren 15 neue Museen.

Ein, zwei, viele van Goghs wären in der Bremer Kunsthalle auch mit einer Million Mark mehr nicht zu schaffen. Aber eine Großveranstaltung pro Jahr strebt Herzogenrath an und will zugleich auch aus den kleineren Ausstellungen mehr herausholen.

Damit es die erhofften Besucherscharen künftig bequemer haben, will die Kunsthalle ab der Van-Gogh-Ausstellung im Oktober 2002 einen neuartigen Pavillon vor dem Haus aufstellen. ArchitekturstudentInnen an der Hochschule Bremen haben in einem mit 4.000 Mark dotierten Wettbewerb ein „Entrée für van Gogh“ für den Vorplatz entworfen, weil die Kunsthalle die Besuchermassen bei solchen Spektakeln nicht innerhalb des Hauses bewältigen kann. Es besteht aus Kassenhäuschen und einer Architektur für das Schlangenmanagement. Gewonnen hat zu seiner eigenen Überraschung der Tischler und Architekturstudent Rainer Nehms. Mit seinem schlangenförmigen Tunnel, in dem die Wartenden auch durch fliegende Händler versorgt werden können, wird „das Warten zelebriert“, sagte sein Professor Norbert Hellwig.

Schlangen zumindest an Wochenenden wird es bei Großveranstaltungen der Kunsthalle weiter geben. Laut Herzogenrath sind alle Versuche, die Eintrittskarten nach Zeitkontingenten zu verkaufen, gescheitert. „Die Menschen legen sich ungern vorher auf eine genaue Besuchszeit fest.“ Versuche in Tübingen seien schief gegangen. „Wenn sich die Besucher festgelegt haben und es genau deshalb keine Schlangen gibt, beschweren sie sich über das Fehlen von Warteschlagen.“ ck