Schily hat kein Weisungsrecht

Innenminister Schily droht, die Birthler-Behörde zu zwingen, auch über andere Politiker keine Unterlagen mehr herauszugeben. In der Behörde stößt dies auf Unverständnis

BERLIN taz ■ Zwischen Otto Schily und Marianne Birthler herrscht trotz des Hochsommers Eiszeit. Vorgestern hatte der Innenminister bekannt gemacht, dass er die Birthler-Behörde in einem Brief ersucht habe, nach dem Kohl-Akten-Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts keinerlei Stasiakten mit Hinweisen auf Politiker herauszugeben, die als „Betroffene“ Opfer von Abhör- und Bespitzelungsmaßnahmen geworden waren oder als „Dritte“ in abgehörten Gesprächen figurierten. Bisher hatte die Behörde Opferakten nur herausgegeben, wenn es sich bei den Bespitzelten um „Personen der Zeitgeschichte“ handelte. Das Gericht hatte entschieden, dass die Akten Helmut Kohls nicht herausgegeben werden dürften, da sein Status als Stasiopfer Vorrang habe.

Schilys Ankündigung wollte gestern wiederum der Sprecher der Gauck-Behörde, Christian Booß, nicht kommentieren, da bis zum Nachmittag kein Brief Schilys eingetroffen sei und der Innenminister auch nicht zum Telefon gegriffen habe.

Booß erinnerte daran, dass seine Behörde trotz unterschiedlicher Rechtsauffassungen in der Sache Kohl kein scharfes Wort gegen den Innenminister habe fallen lassen. Weshalb Schilys Bemerkung, seine bisherigen Erfahrungen mit Marianne Birthler seien „nicht immer erfreulich gewesen“, jeder Grundlage entbehre. Presseberichte, wonach Schily die Birthler-Behörde aufgefordert habe, ihm schriftlich zu bestätigen, dass sie sich künftig an das Kohl-Urteil halten werde, erregten ebenfalls Unverständnis. Zwar habe Schily von einer „Bitte“ gesprochen, der Substanz nach handle es sich aber um den Versuch einer Weisung. Derartige Anweisungen könnten aber, wenn überhaupt, nur im Rahmen einer Rechtsaufsicht geäußert werden. Diese aber stehe nicht dem Innenminister zu, sondern dem Bundeskabinett.

Kein Verständnis brachte Booß auch Schilys Auffassung entgegen, er könne, falls Marianne Birtler seiner „Bitte“ nicht entspreche, als Innenminister eine entsprechende Weisung erteilen – im Rahmen der dem Bundeskabinett zustehenden Rechtsaufsicht. Als deplatziert wurde schließlich auch Schilys Bemerkung empfunden, er werde den Weg der Weisung gehen, wenn sich bei der Behörde „eine gewisse Renitenz entwickeln sollte“. Der Innenminister scheine der Auffassung zu sein, dass es in der Behörde Marianne Birthlers keinen einzigen Juristen gäbe, wenn er zu Kategorien wie „renitent“ greife, die eher dem Reich der Kindererziehung angehörten. CHRISTIAN SEMLER