Endless Grind V

■ Ankunft der Beach Boys-Karawane im dritten Jahrtausend

Da hatten wohl alle so lange und ausdauernd von dieser ominösen Gewitterfront gesprochen, dass sie, die Gewitterfront, sich kaum mehr in unsere Breiten getraute. Um so besser, dann ist so ein Sommerwochenende auch ein Sommerwochenende. Und alle, die sich um den Grill, um Kinoleinwände oder bei sonstigen Outdoor-Aktivitäten scharten, durften sich freuen.

Doch genug vom Wetter. Das Intro mag vielleicht der Tatsache geschuldet sein, dass, was hier vor dem Schlachthof passierte, nicht eben leicht zu deuten ist: die fünfte Auflage der Old School Skate Session „Endless Grind“, wobei mit Old School vor allem vergleichsweise junge kulturelle Phänomene gelabelt werden.

Irgendwann wird ein Auto umgeworfen. Ob es Lang-, Kurz- oder sonstwelche Spezialbretter sind, mit denen mehr oder weniger angetrunkene (= fröhliche) Jugendliche auf die schrottreife Karre (wahrscheinlich kommt sie genau da her: vom Schrottplatz) einhauen, ist in dem Gewusel schwer auszumachen. Jedenfalls wird sie brav wieder richtig hingestellt, der Moderator brüllt in sein Mikrofon, wo denn der zweite Besen abgeblieben sei, der daraufhin flugs auftaucht, die Scherben werden aufgefegt, auf dass sich niemand verletzen möge, der später mit Lang-, Kurz- oder sonstwelchem Spezialbrett noch über nämliches Gefährt zu springen gedenkt. Anlauf und dann, zack!, einfach drüber. Mancher landet hinterher sogar wieder auf dem Brett. Das beeindruckt sowohl die lokale und zugereiste Skaterszene als auch diejenigen, die selbst in nüchternem Zustand und bei äußerster Konzentration gleich wieder runterpurzeln würden, um sich allzubald in einem langweiligen Krankenhauszimmer mit pausenlos Schwachsinn redenden Bettnachbarn wiederzufinden.

Zuschauen ist manchmal einfach auch schön.

Man hatte einiges aufgefahren für diesen Sommertag. Neben – wie an den Zuneigungsbekundungen der umstehenden Skaterfreunde abzulesen war – Szeneprominenz auch fachkundige Unterstützung des relativ jungen, punkorientierten Fanzines „Boardstein“ (Superwortspiel, Jungs!) und ein Soundsystem, das sich aus Kreisen der renommierten Zeitschrift „Blurr“ zusammensetzte und den launigen Nachmittag stets mit passender Musik untermalte.

Entsprechend ausgelassen war die Stimmung und bei den zahlreichen Wettbewerben, die – für einen Jungs-Sport nicht gerade selbstverständlich – weniger wie ein Kräftemessen, sondern eher wie die gemeinsame Freude an Fahrkünsten der anderen wirkte. Weshalb wir uns an dieser Stelle auch die Bekanntmachung der Sieger in den jeweiligen Kategorien schenken – ist ja nicht die Sportseite.

Gefahren wurde auf einem Straßenparcours, auf dem die Kombattanten die mittlerweile durch Rampen, Eisenrohre und umgedrehte Waschzuber stilisierten Hindernisse mit einem gerüttet Maß an Technik zu Sportgeräten umfunktionierten.

Da gibt es Minimalisten, die im Sprung die Bretter wirbeln lassen und andere, die sich eher in Richtung „höher, schneller, weiter“ orientieren. Die zum Teil beeindruckende Beherrschung des nicht eben großen Gegenstands wurde weiters in einem Hochsprungwettbewerb und einem Schaulaufen durch den betonierten „Pool“ unter Beweis gestellt. Alle schienen so viel Vergnügen mit Fahren, Quatschen, Trinken und Fachsimpeln zu haben, dass sich auch eingangs evozierte Fragestellungen wie etwa die, ob das aufbegehrende Moment in Jugendkultur nicht immer schon ein virtuelles gewesen sei, rasch verflüchtigten. Alles erinnert ein wenig an die Vorstellungen, die man sich als Nachgeborener vom Musik-Sport-Party-Gefüge an den Stränden der amerikanischen Westküste machen mag. Beach Boys und so, Sie verstehen? Bis sich alles auflöste in eine laue Sommernacht und die Karawane weiterzog nach Kiel, Mannheim und sonstwohin.

Die sechste Auflage wird sicher folgen, in Bremen,im nächsten Sommer.

Tim Schomacker