: Klotz verspricht Zweistelliges
Fraktionschefin Klotz ist Spitzenkandidatin, Vorstandschefin Michalik durchgefallen
Die designierte Spitzenkandidatin Sibyll Klotz muss warten. Eigentlich wollen die Bündnisgrünen an diesem Samstag in den Wahlkampf starten. Doch auch knapp zwei Stunden nach dem offiziellen Beginn sind nicht genügend Mitglieder anwesend, um die anberaumte Vollversammlung der Grünen satzungsgemäß eröffnen zu können.
Notgedrungen wird die Veranstaltung in eine Landesdelegiertenkonferenz umgewandelt. Landesvorstandssprecher Till Heyer-Stuffer schwört zu Beginn die Partei auf Aktivität ein: „Wir können uns keine Atempause leisten, damit die SPD keinen Bockmist baut.“ Als die designierte Spitzenkandidatin Klotz die Bühne betritt, setzt minutenlanger Applaus ein. „Rot-Rot wäre die Fortsetzung der großen Koalition mit anderen Mitteln“, ruft sie den Delegierten zu, verspricht ein „zweistelliges Wahlergebnis“. Einem schriftlich verteilten Aufruf des angestellten Geschäftsführers der grünen Bundestagsfraktion, Lukas Beckmann, auf eine Koalition mit der PDS zu verzichten, erteilt die Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast eine klare Absage. Es handele sich um einen „unverschämten Vorgang“. Auch Kerstin Müller, Fraktionsvorsitzende im Bundestag, distanziert sich. Als wenig später das erste Abstimmungsergebnis bekannt gegeben wird, fallen sich Klotz und die Parteivorsitzende Claudia Roth in die Arme. Klotz bekommt 89,5 Prozent und ist damit als Spitzenkandidatin bestätigt.
Auf Platz zwei wird mit 95 Prozent Justizsenator Wolfgang Wieland gewählt. Wieland wirbt noch einmal um Verständnis für den Kurswechsel gegenüber der PDS und schließt eine schwarz-grüne Koalition definitiv aus. „Das ist wie Feuer und Wasser.“ Dann beginnen die Kampfkandidaturen, die ganz basisdemokratisch in bis zu vier Wahlgängen ausgetragen werden. Auf Platz drei setzt sich die Leiterin des Umweltbereiches der Partei, Felicitas Kubala, gegen die überraschend angetretene Landesvorstandssprecherin Regina Michalik durch. Konsequenzen für ihre Arbeit im Landesvorstand will Michalik, von ihrem Abschneiden sichtlich mitgenommen, vorerst nicht ziehen. „Das ist nicht gut“, kommentiert auch die frisch gebackene Spitzenkandidatin Klotz das Ergebnis. Im Rennen um Platz vier bekommt schließlich der 32-jährige Bildungspolitiker Özcan Mutlu am frühen Abend mehr Stimmen als der Verkehrsexperte Michael Cramer und der Finanzpolitiker Burkhard Mueller-Schönau. Auf den folgenden Plätzen landen die Kulturstaatssekretärin Alice Ströver, der Rechtsanwalt Volker Ratzmann, Barbara Oesterheld und der verkehrspolitische Sprecher Michael Cramer. In den Pausen, in denen die Stimmen ausgezählt werden, dröhnt Musik aus den Boxen: „Das ist Demokratie, langweilig wird sie nie.“ Die Prozedur wird wegen des zeitaufwendigen Verfahrens am nächsten Wochenende fortgesetzt.
ANDREAS SPANNBAUER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen