Der Fürst hält Hof

Josef Blatter erntet beim Fifa-Kongress trotz des Finanzskandals keine Kritik. Unterseiner Regentschaft beschließt der Fußballweltverband ein neues Transfersystem

BUENOS AIRES taz ■ Es war ein Heimspiel für Josef Blatter, Präsident des Weltfußballverbands. Er hatte auf dem außerordentlichem Kongress der Fifa am Wochenende in Buenos Aires nichts zu befürchten. Das lag zum einen daran, dass sein Kontrahent, Uefa-Chef Lennart Johansson, sich krank meldete. Es lag aber auch daran, dass Blatter die Delegierten dazu brachte, ihm aus der Hand zu fressen. Da störte es auch nicht, dass er sich über alle Grundregeln der Geschäftsordnung hinwegsetzte. Der Fußballfürst blieb der unumstrittene Star der Veranstaltung, die ihn nach seiner Eröffnungsrede am Samstag mit stehenden Ovationen feierte.

Keine einzige bohrende Fragen über den Crash der ISMM/ISL wurde ihm gestellt, zumindest nicht öffentlich. Blatters Rechenschaftsbericht über die finanzielle Lage der Fifa nach der Bauchlandung des Marketingpartners überzeugte die Fußballfunktionäre aus 200 Ländern. Ihr Präsident verkündete gute Nachrichten und rechnete vor, dass nach der ISMM/ISL-Pleite die Fifa mit 51 Millionen Schweizer Franken im Minus stehe, weniger als befürchtet. Nach dem Konkurs der Agentur hat die Kirch-Gruppe sämtliche von der Marketingfirma gehaltenen Fernsehrechte der WM 2002 gekauft und hat damit weltweit das Monopol an den Bildern. Die von ISL gehaltenen Rechte sind nach deren Bankrott wieder in die Hände der Fifa gegangen. Da die Rechte nach Blatter niemals an die ISMM/ISL verkauft worden seien, sondern nur als Lizenz vergeben wurden, seien sie kein Teil der Konkursmasse.

So weit, so schön. Die große Unbekannte bei Blatters Rechnung sind allerdings die ISMM/ISL-Gläubiger. Sie könnten dagegen klagen, dass die Marketingrechte automatisch aus der Konkursmasse heraus genommen wurden und damit kostenlos in die Hände der Fifa fallen. Daher sagt Fifa-Generalsekretär Michel Zen-Ruffinen: „Wir haben klar gesagt, die Situation sieht ganz gut aus, aber es gibt immer Überraschungen.“ Im Falle einer Gläubigerklage „sähe die Lage negativer aus“, so Zen-Ruffinen. Aber solche Einwände wurden in Buenos Aires nur am Rande des Kongresses geäußert.

Der Skandal scheint spurlos an Blatter vorüber zu gehen, nimmt man die Stimmung in Buenos Aires zum Maßstab. Aber dies könnte sich im kommenden Jahr ändern, wenn Neuwahlen für das Präsidentenamt anstehen. „Ich rechne schon damit, dass es eine Wahlkampagne gegen Blatter geben wird, aber das hängt davon ab, ob diejenigen, die ihn ersetzen möchten, einen Kandidaten finden“, sagte Generalsekretär Zen-Ruffinen. Das dürfte nicht einfach werden. DFB-Chef Gerhard Mayer-Vorfelder sieht derzeit „keinen Kandidaten“. Was bleibt, ist die Kritik der Uefa an Blatters Art der Amtsführung. Auch Franz Beckenbauer gestand ein, dass es „von Seiten der Fifa versäumt wurde, die Uefa besser zu informieren, was aber das gute Recht der Uefa ist“. Die von Uefa-Chef Johansson gestellten 25 kritischen Fragen an Blatter will dieser beantwortet und ein dickes Vertraulich-Siegel darauf gestempelt haben. Denn Blatter wünscht nicht, dass dieser Streit öffentlich ausgetragen wird. Und keiner der Delegierten wollte die Fragen von ihm auf dem Kongress beantwortet haben.

Auch die von Blatter und der Fifa-Exekutive vorgelegten Anträge zur Bildung eines Schiedsgerichts, das Probleme zwischen einzelnen Verbandsmitgliedern intern lösen soll, anstatt die nationalen Gerichte zu bemühen, wie auch das neue Transfersystem wurden jeweils mit großer Mehrheit angenommen. Die überarbeitete Transferregelung hat zum Ziel, jüngere Spieler besser zu schützen und verbietet so, dass Minderjährige an europäische Clubs verkauft werden dürfen. INGO MALCHER