KROATIEN: DIE SOZIALLIBERALEN BIEDERN SICH BEI DEN RECHTEN AN
: Tanz auf dünnem Eis

Der Rücktritt von drei kroatischen Ministern und des Vizepremiers, alle aus den Reihen der Kroatischen Sozialliberalen Partei HSLS, ist vor allem ein theatralischer Coup. Nächtliche, eilig zusammengerufene Regierungssitzungen, bei denen es um die Auslieferung „unserer Generäle“ geht, eignen sich bestens, das Publikum zu beeindrucken. Es soll deutlich vernehmen, dass es auch nach Tudjmans Tod noch immer wahre kroatisch gesinnte Männer an der Staatsspitze gibt, die zu den Werten der Nation, allem voran zum „Vaterländischen Krieg“ 1991–1995, stehen. Sie wollen zeigen: Wir sind keine Weichlinge und Kompromissler, die nach der Pfeife des Haager Tribunals der UNO tanzen.

Doch hinter der starken Geste verbirgt sich eine Banalität. Die Koalition der sechs Parteien, denen die Abwahl von Tudjmans Partei HDZ am 3. Januar 2000 zu verdanken war, bröckelt in den letzten Monaten auseinander. Das und der plötzliche nationale Adrenalinschub der vier zurückgetretenen Regierungsmitglieder ist eine Folge von Kommunalwahlen, die vor wenigen Wochen stattgefunden haben. Die Sozialliberalen waren dabei die großen Verlierer. Noch vor einem Jahr hinter den Sozialdemokraten die zweitwichtigste Partei der Anti-Tudjman-Koalition, haben sie nun bei den Regionalwahlen zum Teil nicht einmal die jeweiligen Sperrklauseln von vier bzw. fünf Prozent überwinden können.

Die Regionalpartei IDS (Istrische Demokratische Sammlung), die auch bei den Regionalwahlen Verluste hinnehmen musste, verabschiedete sich vor zehn Tagen aus der Koalitionsregierung. Der sehr erfolgreiche Minister für europäische Angelegenheiten Ivan Jakovčić nahm den Hut und widmet sich nun der Wählerbasis der gerade touristisch boomenden Halbinsel in der nördlichen Adria.

Was allerdings Angst macht beim populistisch aufbereiteten Abgang der vier Minister ist, dass die nationalkonservative HSLS mit der verweigerten Auslieferung nun die Forderung der mehr oder minder extremen Rechtsparteien übernommen hat: der Tudjmanschen HDZ, der Kroatischen Partei des Rechts, deren Vorsitzender mit Vorliebe schwarze Hemden trägt, und der Christdemokraten, die in Kroatien diesem Namen keine große Ehre machen.

Dieser Rechtsblock wird durch den halben Beitritt der Sozialliberalen de facto gestärkt. Dessen Aktionsallianz mit gefährlichen, politisch und sozial marodierenden Frontkämpfervereinen erweist sich somit als erfolgreich. Das ist nicht ungefährlich, denn diese Leute haben weder für den Präsidenten Stipe Mesić, den sie als Serben beschimpfen, noch für den Premier Ivica Račan, den „Roten und Kommunisten“, noch für die Führerin der Volkspartei Vesna Pusić etwas übrig. Sie beschimpfen sie auch als Serbin, und, noch schlimmer: als Hure. Der wichtigste Sprecher der Frontkämpfer, Ivica Liović, brachte vor seiner Hausbar sogar die Tafel an: Zutritt für Frauen, Hunde und Juden verboten. Wie brachial diese vereinte Rechte bei uns agiert, sah man zuletzt bei den Demonstrationen für den (wegen Kriegsverbrechen angeklagten) General Mirko Norac. Unter Beifall der HDZ-Führung legten die Rechten das Land durch Straßenblockaden für zwei Tage praktisch lahm.

Ohne die HSLS wird Premier Ivica Račan für seine Regierung keine verlässliche parlamentarische Unterstützung mehr haben. Über kurz oder lang – viele Kommentatoren meinen: schon im Herbst – wird es also Neuwahlen zum Parlament geben, nach nur einer halben Legislaturperiode. Doch das ist auch logisch. Die Koalition der sechs Parteien hat ihre Arbeit getan. Sie hat den Tudjmanismus besiegt und in den anderthalb Jahren eine radikale Verfassungsreform durchgesetzt, nach welcher die Tudjman’sche Präsidialdemokratie in eine parlamentarische umgewandelt wurde. Das Präsidentenamt ist ohne Machtbefugnisse geblieben und hat praktisch nur noch dekorativen Wert. Alle Macht ist in Kroatien nun bei der vom Parlament kontrollierten Regierung.

Dass die HSLS es aber leider nicht besser wusste, als ihre simple Wahlniederlage durch populistischen Theaterdonner zu kaschieren, und dass sie daraufhin sofort die Forderungen der radikalen Rechten übernommen hat – das zeigt jedoch, wie dünn das Eis noch ist, auf dem wir in Kroatien tanzen. NENAD POPOVIĆ

Soziologe und Verleger in Zagreb