Maoistenüberfälle in Nepal

Die kommunistische Bauernguerilla greift zum Geburtstag des neuen Königs Polizeistationen an und tötet 41 Personen. Für Donnerstag ruft sie zu einem Generalstreik auf. Die Regierung will Polizei und Justiz mehr Kompetenzen geben

von BERNARD IMHASLY

Maoistische Guerillas haben in der Nacht zu Samstag bei drei Angriffen mindestens 41 Polizisten getötet. Zwölf Beamte werden noch vermisst und fünf weitere nicht identifizierte Opfer stammen wahrscheinlich aus den Reihen der Angreifer. Diese umzingelten kurz nach Mitternacht drei befestigte Polizeiposten westlich und nördlich von Kathmandu und griffen sie mit Granaten und Sprengsätzen an, als sich die Belagerten nicht ergaben.

Es ist der schwerste Angriff nach dem Massaker vom 1. Juni, als Kronprinz Dipendra die gesamte Königsfamilie erschoss. Der neue König, Gyanendra, feierte am Samstag seinen 55. Geburtstag. Beobachter zweifeln nicht daran, dass der Zeitpunkt der Angriffe von der „Communist Party of Nepal (Maoist)“ gewählt wurde, um dem König und der Monarchie mit diesem „Geburtstagsgeschenk“ erneut den Krieg zu erklären.

Die Maoisten hatten den Königsmord kritisiert, allerdings nicht aus Sorge um die Institution, sondern weil sie darin ein Komplott der Regierung und Indiens sahen. Diese seien mit dem Monarchen unzufrieden gewesen, weil er sich geweigert habe, im Kampf gegen die Maoisten die Armee einzusetzen. Für sie ist der neue König eine Marionette dieser Scharfmacher, die Verhandlungen mit den Maoisten als sinnlos betrachten.

Ungeachtet der jüngsten Angriffe hält die Regierung von Nepal „grundsätzlich“ an ihrem Angebot fest, mit den Maoisten Friedensgespäche zu führen. Ministerpräsident Ram Chandra Poudel relativierte gestern diese Aussage gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters jedoch gleich wieder, indem er hinzufügte, dass er Zweifel an der Bereitschaft der Rebellen habe, an solchen Gesprächen teilzunehmen.

Nächste Woche soll ein neues Gesetz in Kraft treten, das der Polizei und den Gerichten mehr Befugnisse gibt, Verdächtige zu verhaften und öffentliche Proteste zu unterbinden. Die Maoisten haben für den 12. Juli einen Generalstreik ausgerufen und bereits dafür gesorgt, dass ihm Folge geleistet wird. Letzte Woche gingen zwei Sprengsätze vor den Residenzen des Premierministers und des Obersten Richters hoch. Zahlreiche weitere konnten im Gebiet der Hauptstadt entschärft werden.

Die CPN(M) ging vor vier Jahren in den Untergrund und gab damit den demokratischen Weg zu einer Umwandlung in eine Bauernrepublik und Chancen für tief greifende soziale und wirtschaftliche Reformen auf. Sie hat sich seitdem vor allem in den abgelegenen und armen Regionen im Westen des Landes festgesetzt und hat dort mit der gezielten Ermordung von Politikern und anderen Vertretern des Staats sowie von reichen Bauern und Händlern die staatlichen Strukturen erschüttert. Die Zahl der Opfer wird inzwischen auf über 1.700 geschätzt. In einem Drittel der Bezirke kontrollieren die Maoisten inzwischen die Verwaltung und üben dort eine Volksjustiz aus.

In den letzten Tagen gab es in Indien Berichte, wonach sich die nepalischen Maoisten mit Organisationen zusammengetan haben, die in Indien, Bangladesch und Sri Lanka eine ähnliche Strategie des bewaffneten Bauernkampfes gegen Großbauern und die Bourgeoisie in den Städten verfolgen.