Greencard in Griechenland

Die Regierung Simitis startet einen neuen Versuch, die Immigranten zu legalisieren

Die Albaner sind von mißtrauisch beäugten Eindringlingen zu Hoffnungsträgern geworden, von denen das Überleben des Sozialstaats abhängt

BERLIN taz ■ Das demographische Defizit macht es möglich: Auch in Griechenland wächst die Bereitschaft der Bevölkerung, sich als Einwanderungsland zu begreifen. Die letzte Volkszählung im Mai dieses Jahres hat zum Vorschein gebracht, was die Experten längst wussten: Die schwache griechische Geburtenrate (die zweitniedrigste aller EU-Länder) wurde in den letzten zehn Jahren nur durch eine stetige Zuwanderung ausgeglichen. Nur sie hat die Einwohnerzahl des Landes über der symbolträchtigen Zehn-Millionen-Grenze gehalten.

Solche Zahlen und Fakten sind das beste Argument, mit dem die Regierung Simitis ihr Bemühen popularisiert, die breite Masse der Immigranten endlich zu legalisieren. Seit Juni ist im ganzen Land ein Meldeverfahren angelaufen. Das Innenministerium hofft, dass bis zum 1. August die meisten der schätzungsweise 400.000 „Illegalen“ im Land eine Aufenthaltserlaubnis besitzen. Laut Angaben des Innenministeriums waren bis Ende letzter Woche bereits 150.000 Immigranten registriert. Mindestens noch einmal so viele dürften sich in den nächsten Wochen melden, nachdem Innenministerin Vasso Papandreou erklärt hat, nicht legalisierte Ausländer müssten definitiv mit ihrer Ausweisung rechnen.

Die Kampagne zur Legalisierung der Immigranten ist bereits der dritte Anlauf der Athener Regierung zur Regelung eines drängenden innenpolitischen Problems. Das erste „Greencard-Gesetz“ von 1997 hatte nur begrenzten Erfolg, da es hohe bürokratische Hindernisse aufstellte, über die viele nur hinwegsetzen konnten, wenn sie sich für teures Geld die nötigen Papiere – vom Gesundheitsattest bis hin zum polizeilichen Führungszeugnis – bei einer „Legalisierungsmafia“ besorgten. Das neue Verfahren verlangt nur noch leicht beizubringende Belege für einen mindestens halbjährigen Aufenthalt in Griechenland. Dabei reichen Mietquittungen oder Telefonrechnungen aus, um eine Aufenthaltserlaubnis bis Ende des laufenden Jahres zu erlangen.

Damit ist allerdings die wichtigste Hürde für die Bewerber noch nicht geschafft. Wer langfristig legal in Griechenland leben und arbeiten will, muss innerhalb der nächsten Monate einen Arbeitgeber dazu bringen, sein schwarzes in ein legales Beschäftigungsverhältnis umzuwandeln. Das wird vielen Immigranten schwer fallen, denn auf dem Arbeitsmarkt sind sie vor allem als illegale Hilfskräfte interessant, die ihre Dienste als Bauarbeiter oder auf dem Lande saisonal als Erntehelfer anbieten.

Das gilt vor allem für die männlichen Arbeitskräfte aus dem Nachbarland Albanien, die zwei Drittel aller illegalen Migranten auf griechischem Boden ausmachen. Die letzte Schätzung aus dem Jahre 1999 ging von 230.000 illegalen Albanern aus, die zweitstärkste Gruppe, die Bulgaren, wurde auf 23.000 Personen geschätzt.

Diese albanischen Migranten bilden seit zehn Jahren die unterste Schicht der griechischen Arbeitsgesellschaft. Als Bauarbeiter oder Tagelöhner, die in den Städten in Elendsquartieren, auf dem Lande auch auf freiem Feld schlafen, werden sie in der Regel zum dreifachen Opfer. Sie werden ökonomisch ausgebeutet, denn sie schuften häufig zehn Stunden am Tag für höchstens 30 Mark. Sie werden oft von einer albanisch-griechischen Mafia erpresst. Und sie müssen eine diskriminierende Behandlung durch die griechische Umgebung ertragen. Obwohl heute jede zweite griechische Familie ihren „guten“ Albaner hat, der zuverlässige Arbeiten für sie verrichtet, dominiert in den Meinungsumfragen nach wie vor das Stereotyp des „schlechten“ Albaners, der als potenzieller Einbrecher oder Straßendieb gilt.

Allerdings gibt es neuerdings einen Faktor, der erkennbar dazu beiträgt, die Legalisierungspolitik der Regierung in der Öffentlichkeit populärer oder mindest plausibler zu machen. Seit im März die große Debatte über das strukturelle Defizit der staatlichen Rentenversicherung begonnen hat, gewinn die Einsicht an Boden, dass ohne Integration der zugewanderten Ausländer die Renten für den Großteil der griechischen Bevölkerung spätestens im Jahre 2015 nicht mehr finanzierbar sind. Heute setzen sowohl die Regierung als auch die Gewerkschaften für die Sanierung des Rentensystem auf den rettenden Faktor des legalisierten, in die Rentenkassen einzahlenden Arbeitsimmigranten. Damit ist der Einwanderer im Allgemeinen und der Albaner im Besonderen fast über Nacht vom misstrauisch beäugten Eindringling zum umworbenen Hoffnungsträger geworden, von dem das Überleben des fragilen griechischen Sozialstaats abhängt.

Der heimliche Konsens für das größte Problem der griechischen Innenpolitik lautet also „Albaner statt Kinder“. Zwar würde keine Partei wagen, dies offen auszusprechen. Aber die Tatsache, dass weder die rechten noch die linken Oppositionsparteien gegen die Immigrationspolitik der Regierung Simitis mobil machen, zeigt deutlich, daß es keine Alternative gibt. NIELS KADRITZKE