Zum Beispiel Rote Flora

Heute an der HWP: Podiumsdiskussion zu umkämpften öffentlichen Räumen  ■ Von Andreas Blechschmidt

Frischen Wind aus wechselnden Richtungen proklamiert derzeit der Landesverband Soziokultur Hamburg in einer Kampagne zur Förderung der Stadtteilkultur. Der Zusammenschluss von Hamburger Stadtteilkulturzentren will damit im Wahlkampf Lobbyarbeit betreiben. Denn wird jeder Besuch der Staatsoper mit rund 200 DM bezuschusst, sank die Förderung im Bereich der Stadtteilkultur zuletzt von 9,12 DM auf mittlerweile 8,28 DM pro BesucherIn. Obwohl „die“ Kultur längst zum wichtigen, so genannt „weichen“ Standortfaktor im Wettbewerb der europäischen Metropolen geworden ist, in dem Hamburg mitmischen will, hat das bisher im wesentlichen zur Förderung von Musicals mit überschaubarem künstlerischen Anspruch geführt.

Vorbei scheinen die Zeiten wie noch Anfang der Neunziger, als etwa die damalige Referatsleiterin der Kulturbehörde für Stadtteilkultur, Magrete Wulf, erklärte, Soziokultur habe herrschende Werte der Gesellschaft in Frage zu stellen: Sie sei eine aktive Praxis, die es nicht zuließe, dass Menschen eindimensional nach ihrer ökonomisch verwertbaren Leistungsfähigkeit eingestuft würden. Spiegeln derlei Positionen aktuell sicher nicht das mehrheitliche Selbstverständnis der Stadtteilkulturprojekte in Hamburg wider, sind sie für einige Projekte aber durchaus Grundlage ihrer (kultur-)politischen Arbeit. Die GWA-St.Pauli-Süd engagiert sich bereits seit einigen Jahren zusammen mit dem Park-Fiction-Projekt in den Auseinandersetzungen um die Planungen am Hafenrand. Der neu eröffnete Butt-Club am Hafenrand hat seine erste Veranstaltungsreihe, die Urbanismuswochen, Fragen der Stadtplanung und der Verteidigung des öffentlichen Raumes gegenüber privaten Investoren gewidmet. Schließlich sind die Entwicklungen um die Rote Flora nach dem Verkauf an einen Immobilienkaufmann Anlass einer kritischen Bestandsaufnahme der Diskussion um öffentliche Räume.

Die Rote Flora ist aus der Verhinderung des Kommerzmusicals Phantom der Oper in der Schanze hervorgegangen mit dem expliziten Anspruch, Konzepten nicht kommerzieller Gegenkultur Räume zu geben. Rückblickend auf die über zwölfjährige Praxis der Flora ist die Zwischenbilanz zwiespältig. Denn ganz offensichtlich hat das Projekt unfreiwillig einen umso trefflicheren Beitrag als imagefördernder weicher Standortfaktor im Schanzenviertel geleistet. Selbst die Handelskammer, Sprachrohr der Wirtschaft, stellte nach den turbulenten Auseinandersetzungen vom 1. Mai letzten Jahres fest, dass nicht die Flora ein Problem im Schanzenviertel sei, sondern lediglich die offene Dealer- und Drogenszene. Die Flora sei für die im Viertel ansässigen neuen Medien ein positiver Standortfaktor, beschied der zuständige Handelskammerbeauftragte Michael Kuhlemann.

Ein bunt bebildertes Buch über den Stadtteil nennt die Rote Flora gar das Herz der Schanze. Und die jüngste Werbekampagne der Mopo adelt die Flora als repräsentative Hamburgensie neben Rathaus, Hauptbahnhof und Davidswache. „Gentrification“ nennt die Stadtsoziologie den Prozess der Aufwertung des öffentlichen Raumes durch Vereinnahmung der Alternativ- und Subkultur für die Interessen von kapitalkräftigen Investoren, die schliesslich die alternativen „Aufwerter“ selbst verdränge. Und nicht erst die wahlkampfbedingten Verschärfungen der Auseinandersetzung um das Thema Innere Sicherheit in Hamburg zeigen, dass das Thema des öffentlichen städtischen Raumes auch immer die Frage nach repressiver Durchsetzung der Kontroll- und Überwachungswünsche der staatlichen Stadtentwicklungspolitik meint.

Aus diesem Grund werden heute in der HWP unterschiedliche VertreterInnen von Initiativen, darunter der gruppe demontage, der Roten Flora und der Black Students Association/African Refugees Association, den Zusammenhang zwischen Hamburger Standortpolitik und den daraus abgeleiteten politischen und polizeilichen Strategien debattieren. Die Situation im Schanzenviertel und die Rolle der Roten Flora als Schnittstelle zwischen Kultur und Politik bietet die Möglichkeit, diese unterschiedlichen Faktoren und ihr komplexes Zusammenspiel im Hinblick auf kulturelle und politische Gegenstrategien zu diskutieren, deren Horizonte hoffentlich weit über St. Pauli hinausreichen werden.

heute, 19 Uhr, HWP/Hörsaal, Von-Melle-Park 9