Kein herzlicher Abschied

UKE-Chef Leichtweiß beurlaubt. Senatorin Sager zieht endlich erste Konsequenz aus dem Skandal in der Herzchirurgie  ■ Von Sandra Wilsdorf

Bevor Wissenschafssenatorin Krista Sager (GAL) seinen Kopf verlangte, hat er ihn angeboten: Professor Heinz-Peter Leichtweiß, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE), hat gestern Vormittag um seine sofortige Beurlaubung gebeten. In einem Brief begründet er das mit „bestürzenden Vorgängen in der Herzchirurgie, die zum Teil auch mir erst in letzter Zeit bekannt wurden“. Die Senatorin kam der Bitte nach: „Ein notwendiger Schritt.“

Sie fühle sich von Leichtweiß getäuscht, der nur einen Bruchteil der tatsächlichen Fälle an die Behörde gemeldet hatte, in denen ein nach einem Gehirnschlag stark eingeschränkter Herzchirurg Patienten am offenen Herzen operierte (taz berichtete). Leichtweiß selber bleibt jedoch dabei, er hätte davon nichts gewusst.

Als die Behörde im September 2000 durch ein anonymes Schreiben von UKE-Mitarbeitern auf die Praxis aufmerksam gemacht wurde, war der betreffende Arzt bereits im Ruhestand. „Es ging also nicht darum, Gefahr von Patienten abzuwenden, sondern die Vorgänge aufzuklären“, erklärt Sager, warum sie es dabei bewenden ließ, das UKE um eine Stellungnahme zu bitten. Die kam im November: An 21 Operationen soll der betroffene Arzt mitgewirkt haben. Sager rügte die UKE-Leitung und ordnete in vergleichbaren Fällen zusätzliche Gutachten an.

Nun aber wurde bekannt, dass der besagte Professor tatsächlich viel häufiger aktiv war: „Donnerstagnachmittag haben wir erfahren, dass er in 21 Fällen Hauptoperateur war und in 100 weiteren Fällen an den Operationen mitgewirkt hat“, erklärt Krista Sager. Sie warf dem UKE Versagen vor, es sei unfähig gewesen, diese relativ leichten Fragen zu beantworten. Es werde zu klären sein, woran das gelegen hat.

Unter anderem das wird Aufgabe einer Kommission sein, um die Leichtweiß in seinem Beurlaubungsgesuch gebeten hat, und die auch Sager für sinnvoll hält. Mitarbeiter aus UKE und Behörde sollen die Vorgänge klären.

Doch damit ist die Sache für die Senatorin noch nicht erledigt: Die CDU hatte bereits in der vergangenen Woche verlangt, die Verselbständigung des UKE – das entsprechende Gesetz soll am Donnerstag in der Bürgerschaft verabschiedet werden – aufzuschieben. „Die finanzielle Lebensfähigkeit des verselbständigten UKE könnte angesichts der aktuellen Vorkommnisse noch unsicherer sein als bisher erwartet.“ Dem erteilte Sager eine harsche Absage: „Die Versuche, diese Problematik zu instrumentalisieren und die Verselbständigung zu hintertreiben, halte ich für durchsichtig und verantwortungslos.“

Und es gibt weitere Fragen. So ist völlig offen, in wie vielen Fällen der betreffende Arzt bei Operationen tatsächlich Patienten geschädigt hat. Bisher ist der Fall eines Jungen bekannt, der bis heute schwer geschädigt ist. Dabei gibt es unterschiedliche Aussagen, ob der Professor beobachtet oder operiert hat. Die Staatsanwaltschaft aber ermittelt „wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung in 21 Fällen“, sagte Rüdiger Bagger, Sprecher der Staatsanwaltschaft.