Der westöstliche Diwan in der Officiers-Speiseanstalt

Die Botschaft der Republik Usbekistan hat das ehemalige Ballhaus in Tiergarten bezogen. Im Rahmen des All Nations Festival öffnete sie ihre Türen für die Öffentlichkeit

„Unsere Botschaft ist hier in Berlin viel offener, als sie esin Bonn war.“

Ausschlafen konnten sich die Bewohner der Perleberger Straße in Tiergarten am Wochenende abschminken. Vier Männer, in mit reichlich goldener Farbe bestickte, dunkelblaue Mäntel gehüllt, sorgten bereits vor 10 Uhr morgens für fremde Klänge: mit einem kurzen und einem langhalsigen Messingblashorn sowie zwei Trommelinstrumenten rüttelten sie aber nicht nur diese eine Straße wach. Immerhin galt es mitzuteilen, dass die Türen des Hauses Nummer 62 allen offen stehen, die sich auf eine Begegnung mit Usbekistan einlassen wollten.

Und die Bürger kamen in Scharen. Ausgerüstet mit reisepassähnlichen Tickets. Im Rahmen des ersten All Nations Festival – Tag der offenen Tür in Botschaften und Konsulaten – konnten Berliner, ohne ihre Stadt zu verlassen, acht Stunden lang 15 verschiedene Länder bereisen.

Usbekistan, das eine Fläche von rund 450.000 Quadratkilometern umfasst und einst zur Sowjetunion gehörte, war eines der exotischsten und unbekanntesten Länder auf dieser Route. Und es wurde als ein Geheimtipp gehandelt.

Das lag nicht nur an Ortsnamen wie Buchara oder Samarkand, deren alte Kultur die Herzen der Geschichtsfreunde höher schlagen und jedem eingefleischten Germanisten Goethes „Westöstlichen Diwan“ rezitieren lässt. Auch der Gedanke an die Seidenstraße, die durch zahlreiche Handelsrouten, unter anderem eben über das in Mittelasien liegende Usbekistan, Rom mit China verband, lockte die Besucher an. Viele Berliner waren aber deshalb gekommen, weil sie gehört hatten, dass es hinter den eher schlichten Mauern der Residenz der Botschaft, dem ehemaligen „Ballhaus Tiergarten“, so manchen orientalischen Schatz zu entdecken gibt.

Zwei Jahre lang sei er auf der Suche nach einem repräsentativen Gebäude für die Vertretung seines Landes gewesen, erzählt Botschafter Wladimir Norow. „Böse Zungen“ hätten zwar behauptet, Usbekistan würde durch den Kauf Geld rausschmeißen, statt sich um die Armut im eigenen Staat zu kümmern. Ein Vorwurf, den er so aber nicht stehen lassen will.

Abgesehen davon, dass versucht wurde, die Kosten niedrig zu halten, indem man sich mit einem stark renovierungsbedürftigen Gebäude zufrieden gab, sei ohnedies nur die Summe ausgegeben worden, die das islamische Land für ein Anwesen in Taschkent erhalten hatte, dass dort die Deutschen zu ihrer Botschaft machten, betont Narov. Und außerdem sei Präsident Islam Kamirow für eine angemessene Repräsentation seines Landes keine Summe zu schade gewesen.

Ehe die Usbeken in den Tiergarten kamen, war das alte Offiziersgebäude verfallen. Fast zehn Jahre lang stand es leer. Erbaut wurde es 1879 als „Officiers-Speiseanstalt“, als Teil eines großen Kasernenkomplexes, der von der Invalidenstraße bis zur Perleberger Straße reichte. Nach dem Krieg wurde eine Gaststätte daraus. 15 Jahre später entstand der Name „Ballhaus Tiergarten“. Es wurde als Diskothek genutzt. Später war hier ein Heim für Asylbewerber untergebracht, bevor das Haus hinter einem überwucherten Grundstück fast in Vergessenheit geriet.

Die Restaurationsarbeiten dauerten ein dreiviertel Jahr. Um dem Innenteil des Gebäudes einen orientalischen Stil zu verleihen, wurden extra usbekische Handwerker nach Berlin geholt. Sie führten den Großteil der Arbeiten durch, in Spitzenzeiten waren es bis zu vierzig. Auch das sparte Kosten, schließlich verdienten Usbeken nach landesüblichen Lohn im Schnitt vier-, fünf mal weniger als ihre deutschen Kollegen. Aus den gleichen Überlegungen heraus wurden auch Gardinen, imposante Kronleuchter und der Marmor für den Mosaikfußboden des „Usbekischen Saals“ aus der Heimat „reimportiert“.

Anfang April war es dann soweit. Präsident Karimow kam höchstpersönlich, um die Botschaft einzuweihen. Allein was die demokratische Entwicklung anbetrifft, sei die europäische Orientierung sehr wichtig für sein Land, erklärt Botschafter Narow und fragt: „Was können wir von unseren Nachbarn lernen, von Afghanistan oder vom Iran?“ Geschweige denn von den ehemaligen sozialistischen Republiken, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan oder Turkmenistan, die an Usbekistan grenzen und die alle mit den gleichen Problemen kämpfen: Zerfall alter Strukturen, Armut, Konflikte zwischen verschiedenen Nationalitäten und Religionen. Hinzu kommt, dass sie auch nach all den Jahren der Unabhängigkeit von der Sowjetunion im Ausland immer noch nicht richtig bekannt sind.

Deswegen freuten sich die Botschaftsmitarbeiter über jeden einzelnen Besucher, der nun zu ihnen in den begrünten Innenhof kam, um sich an den Videopräsentation fremder Städte, den Tanzdarbietungen oder den auf einem Basar feilgebotenen Handarbeiten und landestypische Speisen zu verlustigen. Auch der Botschafter selbst schien angesichts der Menschenmengen sehr zufrieden.

Seit dreieinhalb Jahren ist der 46-Jährige nun bereits in Deutschland. Davon zwei Jahre in Berlin. „Unsere Botschaft ist hier viel offener, als sie es in Bonn war“, meint Narow. Das liege aber in erster Linie an der Stadt selbst. In Bonn habe er das Gefühl gehabt, abseits zu sein, jetzt stecke er „mittendrin im Leben“.

Daher will er mit dem nächsten Tag der offenen Tür – die Organisatoren des All Nations Festival planen, es zu einer jährlichen Tradition zu machen – nicht ein ganzes Jahr lang warten. Fortan soll „sein Haus“ für die unterschiedlichsten kulturellen Veranstaltungen des öfteren zugänglich sein.

NINO KETSCHAGMADSE