Politischer Bandenkrieg in Jamaika eskaliert

Seit Mai sind mehr als 40 Menschen bei Schießereien auf der Karibikinsel ums Leben gekommen. Opposition macht Regierung verantwortlich

SAN SALVADOR taz ■ Im Zentrum der jamaikanischen Hauptstadt Kingston herrschte am vergangenen Wochenende alles andere als eine friedlich-verkiffte Karibikstimmung. Seit Samstag bekriegen sich dort mehrere kriminelle Banden mit Pistolen, Sturmgewehren und Handgranaten. Polizei und Armee ist es zunächst nicht gelungen, die Lage unter Kontrolle zu bringen. Bis Sonntag abend waren ein Polizist, ein Soldat und zwei Zivilisten erschossen worden. Ein Krankenhaus in der Kampfzone nahm 31 Patienten mit Schussverletzungen auf.

In Rundfunkinterviews machte Oppositionsführer Edward Seaga von der Jamaikanischen Arbeiterpartei die Regierung für die Straßenschlachten verantwortlich. In der umkämpften Zone hätten Anhänger der Opposition die Mehrheit: Die sollten von den Polizeikräften der Regierung eingeschüchtert werden und würden von den eigenen Leuten verteidigt. Ein Sprecher der regierenden „Nationalen Volkspartei“ wies den Vorwurf zurück. Es sei andersherum: Die Opposition habe eine „Kampagne der Gewalt“ angezettelt, um Neuwahlen zu erzwingen.

Wer von den beiden auch immer Recht hat – klar ist: Es geht nicht um einen Krieg zwischen Drogendealern, sondern um eine politische Auseinandersetzung. Zwar finanzieren sich die Banden meist mit dem Drogenhandel. Alle aber verstehen sich als militanter Stoßtrupp einer politischen Partei. Vor allem in den Siebziger- und Achtzigerjahren wurden sie von diesen auch gezielt eingesetzt, wenn es galt, im Wahlkampf den politischen Gegner einzuschüchtern. Auseinandersetzungen zwischen Banden gehen deshalb in aller Regel auf politische Querelen zurück. Und die haben in den vergangenen Monaten zugenommen: Seit Mai sind in Jamaika mehr als 40 Menschen bei Schießereien ums Leben gekommen.

TONI KEPPELER