Der Baby-Bastler aus Brüssel

Paul Devroey verhilft Eltern zu garantiert erbgesunden Babys. Nach einer künstlichen Befruchtung sucht er die besten Zellen für eine Verpflanzung aus. Ethische Bedenken hat der Arzt keine. Jede zehnte Patientin ist aus Deutschland

BRÜSSEL taz ■ An der Freien Universität von Brüssel verdient Doktor Devroey sein Geld seit vielen Jahren mit einer Tätigkeit, die ihn in Deutschland ins Gefängnis bringen würde. Er bastelt Babys.

Der Chef der Klinik für Reproduktionsmedizin sieht nicht aus wie einer, der Allmachtsfantasien hat. Eher schon wie ein zerstreuter Professor – mit seinen weißen Haaren und der immer staubigen, goldgerahmten Brille. Mit Patienten und neugierigen Besuchern spricht Paul Devroey freundlich und geduldig. Er wirkt wie ein Mensch, der mit sich im Reinen ist. Einer, der Zweifel darüber, ob er mit seinem handwerklichen Können vielleicht ethische Grenzen überschreitet, lange hinter sich gelassen hat.

„Von einem Araber werden Sie nie eine Samenspende erhalten, weil es im Koran verboten ist. Das ist Ethik, das respektiere ich“, sagt Devroey. „Aber die deutsche Diskussion verstehe ich nicht.“ Das Embryonenschutzgesetz verbiete, eine befruchtete Zelle auf genetische Schäden zu untersuchen, bevor sie in den Uterus gepflanzt wird. „Aber der Embryo im Mutterleib darf in Deutschland getestet werden. Gibt die Fruchtwasserpunktion Hinweise auf genetische Schäden, darf die Mutter bis zur zwölften Woche abtreiben. Niemand kann mir erklären, was daran ethisch sein soll.“

Devroey zeichnet mit einem Bleistift zierliche Kringel aufs Blatt, erst einen, dann vier, dann acht. „Derzeit entwickeln wir Techniken, um das befruchtete Ei erst nach fünf Tagen einzupflanzen. Nach zwei Tagen ist schwer zu sagen, welche Befruchtung einen schönen Embryo ergibt. Aber das deutsche Gesetz erlaubt nicht, ein schönes Exemplar auszuwählen.“

Mit einem raschen Strich übers Papier macht Devroeydeutlich, wofür er die deutsche Scheu vor jeder Form von Selektion hält: für unprofessionell.

Seine deutschen Kollegen, so versichert der Arzt, beneiden ihn, um seine Möglichkeiten. Auch sie wissen, wie man den Schöpfungsprozess optimieren könnte. Jedes zehnte Paar, das in Brüssel Rat und Hilfe sucht, kommt aus der Bundesrepublik. Überweisen darf ein deutscher Arzt seine Patienten nicht und auch keine Patientendaten schicken – jedenfalls nicht offiziell.

In Devroeys kleinem Büro klingelt das Telefon. Auf Englisch spricht er geduldig und lange in den Apparat. „Ihre Frau hat, wenn ich es noch richtig weiß, einen kurzen Zyklus? Ich empfehle, dass wir einen möglichst langen auswählen ...“ Als er den Hörer auflegt, lächelt er. Er kenne das Paar schon lange, sie kämen für die Behandlung extra aus Amerika. „Natürlich gibt es dort inzwischen die gleichen Möglichkeiten wie hier. Aber sie haben schon zwei Kinder aus unserer Produktion. Da möchten sie, dass das dritte auch in Brüssel entsteht.“

Gibt es Konstellationen, in denen er den Kinderwunsch ablehnen würde? Da muss er nicht lange überlegen: „Ich bin Mediziner. Ich helfe, wenn medizinische Probleme vorliegen.“ Natürlich könne man die in Brüssel entwickelten Techniken auch missbrauchen, um Designerbabys zu züchten. Aber Perversionen könne man nicht dadurch vermeiden, dass man sich weigere, sein Handwerk zu verfeinern. Er hilft lesbischen Paaren, allein lebenden Frauen, einmal hat er einer Amerikanerin die Eispende ihrer Tochter eingepflanzt. „Sie brachte einen positiven Bericht ihres Psychologen, da habe ich es gemacht.“

Sieht er kein Problem darin, ein Kind in die Welt zu setzen, dessen Schwester seine genetische Mutter ist? Devroey zuckt die Achseln. Keine medizinische Frage, nicht sein Gebiet. Eine Grenze allerdings zieht er: Frauen über 44 weist er ab. Ab dem 37. Lebensjahr steige das Risiko für Chromosomen-Anomalien dramatisch. Bei Frauen über vierzig scheitere im Schnitt jede zweite Schwangerschaft. „Diese Botschaft möchte ich vermitteln: All diese Techniken sind für junge Frauen entwickelt. Mit über vierzig sind die Eier abgenutzt.“

Viele seiner Patientinnen litten unvorstellbar unter ihrer Unfruchtbarkeit. Eine Gesellschaft, die das Wohl der Frauen im Blick habe, müsse sich völlig umstellen. Sie müsse ihnen ermöglichen, in jungen Jahren Kinder zu bekommen. Er kann also doch ziemlich moralisch sein, dieser belgische Doktor. Wichtiger als ein Embryonenschutzgesetz scheint ihm ein Familienschutzgesetz. DANIELA WEINGÄRTNER