Viertel vor Angst

■ Treffen besorgter LadeninhaberInnen im Viertel / Dokumentation der Überfälle soll jetzt Böse übergeben werden

Gestern Morgen trafen sich rund 30 Ladeninhaber und Ladeninhaberinnen mit Vertretern der Polizei, des Innenressorts und des Beirats im Ortsamt Mitte, um sich über die zunehmende Angst vor Raubüberfällen im Viertel auszutauschen. Vor allem Frauen, die alleine im Geschäft arbeiten, befürchten, zu Opfern von Gewalt gemacht zu werden (die taz berichtete).

Anlass für den Ortsamtstermin waren öffentlich gemachte Einbrüche und Überfälle. Diese sollen jetzt – wie gestern von der Versammlung beschlossen – in einem Dossier dokumentiert und dem künftigen Innensenator Kuno Böse (CDU) präsentiert werden. „Die Auflistung der konkreten Fälle kann helfen die Lage besser einzuschätzen und entsprechend zu reagieren“, sagte Ortsamtsleiter Robert Bücking. Auf diese Weise könne auch die Polizei besser auf die Forderung der Betroffenen eingehen, mehr Präsenz an den entsprechenden Stellen zu zeigen und bei Bedarf einzugreifen.

Die Ängste der Betroffenen müssten ernst genommen werden und PolitikerInnen sich für ein angstfreies Klima in den Geschäftsbereichen des Viertels einsetzen, fordert Bücking. Er weiß zwar, dass sich „die Zahl der angezeigten Raubüberfälle zwischen 1998 und 2001 nicht verändert“ hat. Aber auch, dass diese Versicherung auf Gewaltopfer keine beruhigende Wirkung haben kann. Allerdings warnt der Ortsamtsleiter vor einer Vermischung verschiedener Problemfelder. Beschaffungskriminalität sei nicht in allen Fällen der Hintergrund gewesen und diese wiederum nicht viertelspezifisch.

Ähnlich vorsichtig geht die Beiratssprecherin Mitte, Ulrike Hiller (SPD), das Thema an. Sie hat Sorge, dass die geladene Stimmung durch Medienberichte noch mehr angeheizt wird. Das Treffen ges-tern Morgen sei ein erster wichtiger Schritt gewesen. Frust über Junkies im öffentlichen Raum sei nicht gleichzusetzen mit der berechtigten Sorge vor Überfällen. Hier sei wiederum die große Koalition aufgefordert, sich eine sinnvolle Drogenpolitik zu überlegen.

Der Sprecher des Innenressorts, Markus Beyer, erinnert daran, dass Kuno Böse „längst gegensteuern“ würde. Den Betroffenen solle signalisiert werden, „wir gucken nicht weg“. Hingucken soll vor allem die Polizei, die zeige seit fünf Wochen verstärkte Präsenz im Viertel und soll „konsequenter gegen die Drogenszene vorgehen“. Natürlich ginge nicht alles auf Kos-ten der Junkies und auch die Polizei könne nicht alles tun.

Eva Schmid, deren Mitarbeiterin in „Evas Laden“ Mitte Juni überfallen wurde, glaubt auch nicht, dass verstärkte Polizeipräsenz ein Allheilmittel ist. Sie ist unzufrieden mit dem Treffen. „Wie in einer Talkshow“ habe sie sich gefühlt und passieren werde ja doch nichts. Sie hat ihren Laden seit zwanzig Jahren und den Eindruck, dass die Szene vor ihrer Ladentür aggressiver geworden sei. „Die Stimmung wird immer schlechter und irgendwann haben wir Gesetze, die keiner will.“

Auch die Besitzerin von „Rettig Papier“ hat seit den Meldungen der Überfälle zwar manchmal „ein ungutes Gefühl“, aber keine Angst. Sie steht der Situation ratlos gegenüber. „In erster Linie ist das ein gesellschaftliches Problem“, glaubt sie. „Und das muss auf einer politischen Ebene gelöst werden.“ ei