Das Schlimmste: in der Angst versinken

■ Die zehnjährige Adelina aus Kattenturm bleibt verschwunden / Eltern haben Angst: Sind ihre Kinder in Gefahr? / Gerti Gerlach, Vorsitzende des Bremer Kinderschutzbundes, gibt Tipps

Die zehnjährige Adelina aus Kattenturm bleibt verschwunden, die Polizei hat keine heiße Spur. Mehr als 300 Hinweisen über das Schicksal des vor zwei Wochen verschwundenen Mädchens gehen die MitarbeiterInnen der Sonderkommission „Adelina“ nach – und halten eine Straftat inzwischen für immer wahrscheinlicher. Es gebe bislang jedoch keine Anhaltspunkte für ein Sexualverbrechen, sagte gestern Soko-Leiter Werner Meyer. Es gibt überhaupt keine Anhaltspunkte, die die Polizei zu diesem Zeitpunkt öffentlich machen will. Die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“ soll Freitag über den Fall Adelina berichten.

Derweil sind Bremer Eltern in Angst um ihre Kinder. Müssen die Kids ständig unter Aufsicht sein? Wie können sie sich wehren, wenn sie sich bedroht fühlen? Ein Polizeisprecher warnt vor „übertriebener Panik“. Die taz sprach mit der Vorsitzenden des Bremer Kinderschutzbundes, Gerti Gerlach.

taz: Was raten Sie Eltern, die sich jetzt besonders um ihre Kinder sorgen?

Gerti Gerlach: Ich rate Eltern, dass sie zuerst einmal mit den Kindern zu einem ruhigen Gespräch kommen und gemeinsam überlegen, wie sie sich in Zukunft verhalten, damit weder die Eltern noch die Kinder Angst haben müssen. Denn das Schlimms-te ist, wenn die Ängste der Eltern auf die Kinder so stark übertragen werden, dass sie sich alleine nicht mehr raus trauen.

Wie sieht ein solches Verhalten aus?

Es gibt einige Regeln, die man absprechen müsste. Die erste Regel lautet: Eltern sollten immer wissen, wo Kinder hingehen. Und Kinder sollten auch immer wissen, wo ihre Eltern sind – nicht dass sie vor der Tür stehen, und es macht ihnen niemand auf, falls sie mal in eine Situation geraten, wo sie ganz schnell nach Hause laufen. Der zweite Verhaltenstipp bezieht sich auch auf die kommenden Wochen, wenn wieder Einschulungen anstehen: Eltern sollten mit Kindern gemeinsam die Wege abgehen. Es ist hilfreich, wenn sie kleine Rettungsinseln kennen, beispielsweise ein Geschäft, in das man schnell reinlaufen kann. Man sollte mit den Kindern auch besprechen, dass sie keine Angst haben sollten, mal an einer fremden Tür zu klingeln, wenn sie in Not sind. Wenn die Schulwege länger sind, sollten sich die Kinder möglichst mit den Nachbarskindern verabreden, dass sie in Gruppen gehen.

Wie können Kinder sich denn wehren, wenn sie sich bedroht fühlen?

Eltern sollten dem Nachwuchs sehr viel Selbstbewusstsein vermitteln. Unsichere Kinder werden leichter und öfter Opfer als selbstsichere.

Es gibt Kurse für Kinder, in denen sie trainieren, wie sie sich im Notfall verhalten sollen. Was halten Sie davon?

Selbstverteidigungskurse halte ich für sehr gut, weil Kindern dabei auch bestimmte Regeln vermittelt werden. Dazu gehören auch Regeln, die ihren eigenen Körper angehen: dass sie Grenzen setzen müssen. Andererseits lernen sie auch, sich so zu wehren, dass es dem anderen richtig weh tut. Die Erfahrung zeigt, dass Täter sich dann schnell davon machen.

Was raten Sie Kindern und Eltern, wenn die Gefahr nicht von außen, sondern vom jemandem, der dem Kind nahe steht, vielleicht aus der Familie, kommt?

Das Selbstbewusstsein der Kinder sollte so gestärkt werden, dass sie auch „schlechte Geheimnisse“ verraten. Aber wenn eine solche Vertrauensbasis in der Familie von vornherein nicht gegeben ist, dann ist das sehr schwierig.

Fragen: Susanne Gieffers