Eine Milliarde für Integration

Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, fordert mehr Geld für Sprachkurse. Innenminister Schily: Bei Zuwanderung Einigung mit Union bis Jahresende

BERLIN taz ■ Wenn die Integration von Einwanderern in Deutschland gelingen soll, kann es nicht beim Status quo bleiben. Darüber sind sich die Parteien einig. Auch die Süssmuth-Kommission forderte deshalb ein deutlich erhöhtes Angebot an Sprach- und Integrationskursen für MigrantInnen. Doch nun bahnt sich bereits Streit um die Kosten an. „Man darf sich keine Illusionen machen“, warnte der DGB-Zuwanderungsexperte Heinz Putzhammer gestern in Berlin. „Integration kostet viel Geld.“

Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), wurde konkreter: „Das geht in Richtung eine Milliarde Mark.“ Das würde eine Verdreifachung der Mittel bedeuten, denn bisher gibt der Staat nur 319 Millionen Mark pro Jahr für Sprachkurse aus. Die Süssmuth-Kommission berechnete die künftig notwendigen Kosten mit 660 Millionen Mark pro Jahr.

Die Ausländerbeauftragte glaubt nicht, dass diese Summe reicht, wenn alle Neueinwanderer ein „qualitativ hochwertiges Angebot“ erhalten sollen. „Wir müssen davon ausgehen“, so Beck, „dass jährlich etwa 250.000 Erwachsene einwandern werden, die auf viele Jahre bleiben.“ Darüber hinaus müssten auch die Angebote für MigrantInnen verbessert werden, die schon länger hier sind, aber noch nicht Deutsch können. Die von der Süssmuth-Kommission anvisierten 220.000 Kursplätze seien deshalb nicht genug.

Beck bestritt energisch, dass die MigrantInnen die Teilnahme an Sprachkursen scheuten: „Diese Erfahrung machen wir nicht.“ Das Problem sei vielmehr das Defizit an Angeboten: „Es ist gigantisch.“ Nach Becks Angaben haben derzeit nur 0,3 Prozent aller MigrantInnen einen Anspruch auf Sprachkurse.

Unterdessen plädierten gestern Gewerkschafts- und Arbeitgebervertreter aus der Süssmuth-Kommission, noch in dieser Legislaturperiode ein Einwanderungsgesetz zu verabschieden. Die von der Süssmuth-Kommission vorgeschlagene und von SPD und Union kritisierte Zahl von 50.000 ArbeitsmigrantInnen pro Jahr sei keine fixe Größe, sagte der Geschäftsführer der Arbeitgeberverbände, Christoph Kannengießer. Man sollte aber „nicht wesentlich darunter gehen“. Innenminister Otto Schily (SPD) sagte gestern, er erwarte eine Einigung mit der Union bis zum Jahresende.

Es sei „geradezu grotesk“, der Kommission vorzuwerfen, mit einem Punktesystem werde die Zuwanderung auf die Sozialsysteme konzentriert, kritisierte Kannengießer indirekt Äußerungen aus der Union. Qualifizierung und Ausschöpfung des inländischen Arbeitsmarktes sei eine Grundforderung der Kommission. Der Chef der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, Roland Issen, betonte die Bereitschaft der Gewerkschaften, bei der zukünftigen Deckung des Arbeitskräftebedarfs das Renteneintrittsalter stärker an die gesetzliche Regelung von 65 Jahren heranzuführen. LKW/SEV