Kaum Grenzen des Fortschritts

Biotech für Ernährung und Gesundheit, Hightech für Bildung und Beruf: Dem UN-Entwicklungsprogramm sind Technologiekritiker ein Dorn im Auge

von BERND PICKERT

Die Probleme der Menschheit können drastisch gemindert werden, und zwar durch die konsequente und entwicklungsorientierte Nutzung neuer Technologien, von der Kommunikationstechnologie bis zur genetischen Optimierung der Landwirtschaft. Das ist die generelle Stoßrichtung des „Berichts über die menschliche Entwicklung 2001“, der gestern vorgestellt wurde. Der vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) herausgegebene Report soll, schreibt UNDP-Chef Mark Malloch Brown, zum „Manifest einer neuen Partnerschaft zwischen Technologie und Entwicklung“ werden.

„Die bahnbrechenden Anwendungen der Biotechnologie in der Medizin und der Landwirtschaft beinhalten ein riesiges Potenzial für die Beschleunigung der menschlichen Entwicklung. Aber dieses Potenzial kann erst wirklich angezapft werden, wenn die Biotechnologie zur Bekämpfung der größten gesundheitlichen und landwirtschaftlichen Probleme armer Länder eingesetzt wird: der Tropenkrankheiten und der Schwierigkeiten von Ackerbau und Viehzucht in den von der „grünen Revolution“ marginalisierten Grenzertragszonen“, heißt es in dem Bericht. Die reicheren Länder sollten ihre Bedenken gegen die genetische Veränderung von Lebensmitteln aufgeben. Schließlich seien es vor allem Menschen, für die Ernährung kein bedrohliches Thema sei, die heute Probleme mit genmanipulierten Lebensmitteln artikulierten: „Unterernährte Agrargemeinschaften in Entwicklungsländern dürften den Blick dagegen eher auf die potenziellen Vorteile höherer Erträge mit größerem Nährwert richten.“ So könnten etwa neue Reissorten 50 Prozent mehr Ertrag bringen, seien widerstandsfähiger und eiweißhaltiger. Allerdings müssten „alle Regierungen neue institutionelle und wissenschaftliche Grundsätze aufstellen, um die gesundheitlichen, ökologischen und sozialen Risiken dieser neuen Technologie bewältigen zu können“.

Technologiekritiker sind dem UNDP ein Dorn im Auge: Selbst das weltweite Verbot des DDT-Giftes erscheint UNDP angesichts des Wertes dieser inzwischen geächteten Chemikalie bei der Malaria-Bekämpfung als ein Indiz, dass „eine Gesellschaft ihre Verzichtentscheidung und ihre Werte anderen Gesellschaften“ aufzwang und dabei „deren Bedürfnisse und Präferenzen unterdrückte“.

Der Grund, warum die entwicklungsorientierte Nutzung vorhandener Technologien noch in der Anfangsphase stecke, sei aber auch die fehlende staatliche Förderung. Der Privatsektor bediene lediglich die Interessen des kaufkräftigen Publikums der reichen Länder. Nur zehn Prozent der weltweiten medizinischen Forschung etwa sind auf die Leiden ausgerichtet, die 90 Prozent der weltweiten Krankheitslast ausmachen.

Die Kennzahlen des Berichts sind eindeutig: 80 Prozent der weltweiten Internet-NutzerInnen leben in den OECD-Ländern. Rund 1,2 Milliarden Menschen müssen mit weniger als einem US-Dollar täglich auskommen, 2,8 Milliarden Menschen mit weniger als zwei US-Dollar. Und etwa ein Drittel der Menschheit, rund zwei Milliarden Menschen, haben nicht einmal Zugang zu elektrischem Strom, 968 Millionen Menschen verfügen nicht über sauberes Trinkwasser. Täglich sterben 30.000 Kinder unter fünf Jahren an vermeidbaren Ursachen. 854 Millionen Erwachsene sind Analphabeten, darunter mit 543 Millionen überdurchschnittlich viele Frauen.

Für all diese Probleme sieht UNDP Lösungsansätze in der Nutzung neuer Technologien. Die elektronische Vernetzung etwa biete auch auf dem Land durch Entwicklung mobiler, solarenergiebetriebener Internetzugänge, wie der nächsten Handy-Generationen, riesige Chancen für den Bildungsbereich. Über internationale Regelwerke wie etwa ein faireres Preisgestaltungssystem, das den Entwicklungsländern deutlich geringere Mittel für die Anschaffung solcher Technologien abverlangen würde als den Industrieländern, sollte versucht werden, den Technologiezugang der Entwickungsländer zu verbessern. Das Internet erscheint in dem Bericht ungebrochen als Lösungsansatz für Bildung, Wissenstransfer und demokratische Partizipation.