Gravierende Störungen im Identitätserleben

■ Being Deniz Rodman beim Kammersppiel-Nachwuchstheaterfestival „Die Wüste lebt“ im Amerikahaus

Monolog an eine Mutter hat Regisseur Orazio Zambelletti das Stück untertitelt, für das er mit dem Schauspieler Tugsal Mogul und der Dramaturgin Hanna Rudolph zusammen den Text verfasst hat. Bereits im Mai hatte Being Deniz Rodman Premiere im Fundbureau und ist jetzt auf dem Kammerspiel-Nachwuchsfestival Die Wüste lebt nochmal zu sehen.

Das Stück handelt von einem jungen Fremden, der ohne Vater aufwächst (wie übrigens auch Basketballer und Rebound-As Dennis Rodman) und dessen Leben sich in einem Keller abspielt. Der Monolog des Deniz Rodman, der sich die Identität von Dennis Rodman einverleibt hat, richtet sich an seine Mutter.

„Mich hat die Frage interessiert, unter welchen psychologischen und gesellschaftlichen Umständen es zu einer Störung des eigenen Identitätserlebens kommt“, erklärt Regisseur Orazio Zambelletti. Die Parallelen zur Identitätsentwicklung von Jugendlichen und Migrantenkindern in der Großstadt, die sich ihre eigene Identität aus Medienvorbildern zusammensampeln, liegen für ihn auf der Hand. Wir sprachen mit ihm.

taz hamburg: Hat euch das Identitätsproblem der Migrantenkinder speziell interessiert?

Orazio Zambelletti: Nur insofern, als es für uns inhaltlich die konsequenteste Weiterführung des Identitätsproblems darstellt – ebenso wie der Name Deniz im Türkischen als weiblicher und männlicher Vorname benutzt wird. Es ging uns nicht um eine Ausländerdebatte. Ich gehöre zur zweiten Generation der Eingewanderten und bin Teil der deutschen Gesellschaft. Da halte ich es eher so wie Fatih Akin, der versucht, sich als „Altonese“ zu definieren.

Wie seid ihr auf die Figur des extravaganten Basketballspielers Dennis Rodman gestoßen?

Zambeletti: Wir wollten kein postdramatisches Theater machen, sondern ein Stück über jemanden, der in einer postdramatischen Zeit ohne feste Bezugssysteme lebt, in der alles möglich, aber nichts zwingend nötig ist. Und für uns diente der Sportler Dennis Rodman, das schrille Medienphämomen der Neunziger, als bestes Vorbild für Deniz. Der junge Mann in unserem Stück erzählt Unwahrheiten über sich und sein Leben, baut sich fiktive Identitäten auf - und bleibt immer der Deniz, der in seinem Keller steckt, sich nach einer Vaterfigur sehnt und von seinem Leben draußen träumt.

Habt ihr beim Text auf die autobiographischen Vorlagen von Dennis Rodman zurückgegriffen?

Zamboletti: Rodman war für uns nur von Interesse als Projek-tionsfläche, als Provokateur, Held und Rebell in einer Zeit, wo es keine eindeutigen Bezugssysteme mehr gibt. Kein Gut oder Böse, kein Marlon Brando oder John Wayne, die vor Männlichkeit und Pistolenstolz trotzen. Sondern ein Sportler, der zwischen Spaß und gesellschaftlicher Verantwortung schwankt. Innerhalb des Systems NBA ist er aber immer ein schillernder Außenseiter gewesen, ein Paradiesvogel, der mehr als Transvestit oder durch seine wechselnden Frisuren Aufsehen erregte, als durch sein Können.

Interview: Christian T. Schön

Donnerstag, 12.7. und Sonnabend, 14.7., 20 Uhr. Freitag, 13.7., 22 Uhr, Amerikahaus, Tesdorpfstr. 1