Saxophonicly Yours

Keinerlei Feedback von der ziemlich lahmen Tourband: Der sonst hingebungsvolle Saxofonist James Carter brach im Quasimodo zu oft seine wunderschönen, zärtlichen Soli ab und enttäuschte mit seinen typischen lustigen Spielereien

Hinter der Bühne ist die Aufregung spürbar. James Carter spielt ein paar Läufe auf seinem Tenorsax, das schwarze Basecap mit dem Schirm nach hinten tief in den Nacken geschoben. Nach all den Jahren auf diversen Bühnen in Clubs und Festivals, über 15 sind es schon, seit er damals von Wynton Marsalis entdeckt und gleich mit auf Tour genommen wurde, ist Carter immer noch so angespannt vor jedem Konzert, dass man sich gleich selbst die Nagelhaut abkauen möchte.

In schwarzem Baggy-Suit betritt er kurz vor zehn die Bühne des Tränenpalasts. Erst im Novermber war er beim Berliner JazzFest aufgetreten, und das gleich zweimal am selben Tag: als Sideman des Posaunisten Steve Turré und mit eigenem Funk-Trio. An diesem Abend ist der 32-Jährige auf Promotour für sein im letzten Jahr erschienenes Album „Chasin’ the Gypsy“, eine Hommage an Django Reinhardt. Und mit ihm trottet eine ziemlich lahme Tourband auf die Bühne, bei der sich die Musiker die ganze Zeit zu fragen scheinen, wann sie endlich ins Hotel zurück können. Vor der Bühne ist viel Platz, nur wenige sind gekommen. Vielleicht ist das Wetter draußen zu schön. Im Hintergrund brodelt die Stadt. Neben James Carter steht ein kleiner Tisch mit einer blauen Decke. Darauf liegen zwei Saxofone und ein Samtbeutel mit Ersatzrohrblättchen.

Im Unterschied zu seinem letzten Konzert im Tränenpalast, wo sein leidenschaftliches und heftiges Spiel alle zwei Minuten ein neues Blatt forderte, greift er an diesem Abend nur zweimal in den Beutel. Die Augen ruhen erwartungsvoll auf der Geigerin – immer noch ein ungewohntes Instrument im Jazz. Während auf dem Album Carters Cousine Regina Carter den Part von Stephàne Grappelli übernahm, ihrem großen Vorbild, kann die mitgebrachte Marlene Rice dagegen nicht einen Moment lang überzeugen. Auch die anderen Musiker sind absolut desinspiriert und zeigen, wie unsicher Carter immer noch mit seiner Rolle als Bandleader umgeht. Während er in der geschützen Rolle des gefeaturten Solisten zur Höchstform aufläuft, sucht er hier immer wieder die Balance zwischen sich und seiner Band.

Er beginnt mit der wunderschönen Reinhardt-Komposition „Oriental Shuffle“, bei dem er auf der Platte mühelos von einem Coltrane-Moment in einen Tanzsaal der 30er-Jahre wechselt und die Melodie sanft ausgleiten lässt. Im Jetzt bekommt er von seiner Band keinerlei spirituelles Feedback und bricht sein Solo mit den typischen Carter-Spielereien auf seinem Sax auf: Klappen ploppen lassen, ohne Atem spielen etc. Das ist lustig, aber es müsste nicht sein. Es ist vor allem schade, denn James Carter hat wie kein anderer Jazzsaxofonist die Fähigkeit, geradezu alles mit Hingabe spielen zu können, und sein Improvisationsgefühl spannt sich jenseits jeder gewohnten Grenze.

Der intensivste Moment des Konzerts entstand – in einem ansonsten zerfaserten und ziellosen Aneinanderreihen der CD-Tracks –, als Carter mit Zirkularatmung ein zehnminütiges, dichtes und zärtliches Solo über seine Komposition „Chasin’ the Gypsy“ spielte. Dann endete das etwa einstündige Set wie gewohnt mit Carters Komposition „J.C. On The Set“ von seinem gleichnamigen Debütalbum von 1994. So beendet er jedes Konzert.

Schon während des Stücks kündigte er an, dass es keine Zugabe geben werde. Er stellte nochmal seine Band vor, um sich dann mit seinem Saxofon vor der Brust zu verbeugen und zu sagen: „I am saxophonicly yours, James Carter“. Später kam er noch mal raus, aber nur um zu sagen „Danke“ und „Tchus“ und dass man sich wieder treffen werde, „on the flip side of life“. Das ganz bestimmt. MAXI SICKERT