Der Kampf als routinierte Arbeit

Ratlosigkeit, die schleichende Erkenntnis der Sinnlosigkeit des Krieges, der Wandel einer Filmindustrie: Das Arsenal zeigt die Reihe „Filmland Vietnam“

von ANDREAS BUSCHE

Schon lange nicht mehr ist einem Sonderprogramm des Berlinale-Forums so viel Aufmerksamkeit zuteil geworden wie in diesem Jahr dem Thema „Filmland Vietnam“. Waren die Vorbehalte im Westen gegenüber dem staatlich geförderten Kino sozialistischer Länder noch bis in die frühen Neunziger groß, weckte der Erfolg asiatischer Filmemacher auf den großen Festivals langsam das Interesse an vermeintlich randständigen asiatischen Filmindustrien.

Auch in Vietnam war nach dem Ende des Krieges das Kino der populärste Raum für die staatlich kontrollierte Propagandamaschine. So entstanden Filme, die vergleichbar sind mit den Bewältigungsfilmen Hollywoods. Die Verdrängungsleistung war enorm, die Bilder vom Leid der Bevölkerung und der Verwüstung des Landes beschränkten sich auf die preisgekrönten Aufnahmen westlicher Kriegsfotografen.

In den letzten zwei bis drei Jahren hat sich jedoch auch in der vietnamesischen Kinoindustrie ein Wandel vollzogen: Eine kritische Auseinandersetzung mit dem traumatischen Vietnamkrieg und dessen Nachwirkungen wird gefordert und gefördert. Der Erfolg des Berlinale-Sonderprogramms hat die Freunde der Deutschen Kinemathek jetzt bewogen, das Filmpaket noch einmal aufzuführen, bevor es nach Vietnam zurückgeschickt werden muss.

Das große Interesse an den sieben Vietnamfilmen ist leicht erklärbar. Wie vehement sie alle, ein Vierteljahrhundert nach Beendigung des Krieges, das Thema des Vietnamkrieges umkreisen und durchleuchten, wie gänzlich unpathetisch sie sich dem Thema widmen, ist erschütternd. Die überraschende Monothematik des Programms ist jedoch nicht Folge von Selektion, sondern ein repräsentativer Querschnitt durch das zeitgenössische vietnamesische Kino, wie der Regisseur Luu Trong Ninh bestätigt, der mit zwei Filmen im Programm vertreten ist.

Die Rolle der Frauen während und nach dem Krieg ist das Thema seiner beiden Beiträge. Beschränkt sich ihre Darstellung im Propagandafilm immer wieder auf die der Mutter und mentalen Stütze der Familie inmitten des revolutionären Kampfes, bricht Ninh in seinen beiden Filmen mit dieser Form der mythischen Überhöhung. Schon in seinem 97er-Doku-Spielfilm „Nga Ba Dong Loc“ („Kreuzung Dong Loc“), der realen Geschichte einer weiblichen Jugendsturmeinheit, die während des Krieges dazu abkommandiert wurde, scharfe Bomben auf den Schlachtfeldern zur Detonation zu bringen, nimmt er den Kamikaze-Aktionen jedes heroische Pathos. Er entlarvt den antiimperialistische Kampf als routinierte Arbeit und zeigt die Mädchen nicht als heldenhaften Frauenbrigade, sondern als blauäugige Teenager.

Ninhs aktueller Film „Ben Khong Chong“ („Das Ufer der Frauen ohne Männer“, 2000) schildert das Dilemma von zwei vietnamesischen Frauengenerationen: Der Soldat Van kehrt 1954 nach dem Indochinakrieg als einziger Mann in sein Heimatdorf zurück. Die Männer der dort lebenden Frauen sind alle im Krieg gefallen, wie auch ihre Söhne zehn Jahre später von den Bomben der Amerikaner getötet werden. 20 Jahre lang bleibt Van der einzige gesunde Mann in seinem Dorf und muss Tag für Tag mit ansehen, wie die Frauen in ihrer grausamen Einsamkeit weiter funktionieren.

Ein Land in der Beuge – Luu Trong Ninh hat in einem Interview erzählt, dass für ihn der krumme Rücken der vietnamesischen Frauen der prägendste Anblick in seiner Kindheit gewesen sei. Nicht nur in seinen Filmen führen die Bilder immer wieder zurück auf diese ikonisch überhöhte Erduldungspose.

Die Ratlosigkeit im heutigen Vietnam und die schleichende Erkenntnis der Sinnlosigkeit innerhalb der Bevölkerung zeigt sich vielleicht am nachhaltigsten in dem Roadmovie „Ai Xuoi Van Li“ („Die lange Reise“, 1997) von Le Hoang. Der Rücktransport der Asche seines ehemaligen Kriegskameraden führt einen Vietnamveteranen auf eine Reise in das Innere des Biests. Das Roadmovie zeigt das touristisch schöne Billigreiseland als gebrochene Nation, dessen äußere Selbstsicherheit als Kriegsgewinner nicht über die chaotischen inneren Zustände hinwegtäuschen kann.

Die Reihe „Filmland Vietnam“ läuft bis Ende des Monats im Kino Arsenal, Potsdamer Straße 2, Tiergarten.