zoologie der sportlerarten
: PROF. HIRSCH-WURZ über den Handballer

Der Hexer lässt grüßen

Lässt man einen Eineinhalbjährigen die Rangliste seiner Lieblingssportarten aufstellen, dann steht an erster Stelle Wettkrabbeln, dicht gefolgt von Preissabbern und Haareziehen.Danach kommt aber auch schon Handball. Gegenstände verschiedenartiger Beschaffenheit in die Hand zu nehmen und umgehend dahin zu pfeffern, wo sie möglichst viel Schaden anrichten, gehört zu den frühestentwickelten Trieben des Menschen. Völlig ungeklärt ist jedoch, wie es kommt, dass Krabbeln, Sabbern und in der Regel auch Haareziehen im Zuge des Aufwachsprozesses sehr schnell hinter sich gelassen werden, es aber eine kleine Gruppe vollständig erwachsener Leute gibt, die es nach wie vor für einen gigantischen Spaß halten, kleine hässliche Bälle so lange umherzuwerfen, bis sie in einem so genannten Tor untergebracht sind.

Wer es schon mal mit einem Eineinhalbjährigen zu tun bekommen hat, weiß, dass es nahezu unmöglich ist, ihn an der Ausübung jeder einzelnen der oben genannten Tätigkeiten zu hindern, besonders aber am Dingeschmeißen. Deshalb hat der Homo manus manus das Foulspiel erfunden. Gemächlich lässt er seinen Kontrahenten über das Spielfeld traben, wobei dieser den Ball ungefähr alle 25 Schritte auf den Boden prellen muss, doch kaum nähert er sich dem Wurfkreis, schon fällt er ihm in den Arm, rammt ihn zu Boden oder schmettert ihm einen Ellenbogen auf die Nase, damit der Sauhund gleich merkt, dass Torewerfen heute nicht auf der Tagesordnung steht. Als der Homo manus manus es satt hatte, dass die Zahl der gebrochenen Knochen regelmäßig höher war als die der geworfenen Tore, erfand er den Schiedsrichter. Seither besteht das Ziel darin, sich durch raffinierte Ballstafetten so nah an den Wurfkreis heranzupirschen, dass der Schiedsrichter beim obligatorischen Puff in die Rippen Siebenmeter pfeift, die nahezu einzige Möglichkeit, ein Tor zu erzielen, solange der Schütze der Versuchung widerstehen kann, die Kugel dem Torwart genau vor den Latz zu knallen. Dass ihm dies hin und wieder gelingt, unterscheidet ihn vom Eineinhalbjährigen.

Bis es endlich zum erstrebten Torwurf kommt, ähnelt die Tätigkeit des Homo manus manus in etwa einem ballbewehrten Menuett am Hofe Ludwigs XIV. oder mehr noch zwei Schlachtreihen mittelalterlicher Armeen, die, anstatt aufeinander loszugehen, den ganzen Tag voreinander hin- und hertänzeln und sich gegenseitig umschubsen.

Wieso der Homo manus manus ein ganzes Spielfeld braucht, wo er den größten Teil davon doch nur zum gemütlichen Spazierengehen benutzt, weiß nur er allein. Die eigentliche Aktion spielt sich jedenfalls nur auf einem winzigen Teil des Areals ab, was den Handballer immerhin in der Vergangenheit bewegte, den einst für sein sportliches Treiben benutzten Fußballfeldern abzuschwören. Damals musste der Homo manus campus noch erhebliche Wegstrecken zurücklegen, ohne dass in der dabei verbrauchten Zeit irgendetwas Wesentliches passierte, außer dass er sich einen hundsmäßigen Muskelkater zuzog. Als ihm aufging, dass auf diese Weise wohl kaum neue Zuschauerrekorde zu bewerkstelligen wären, zog er sich in geschlossene Räumlichkeiten zurück und schmiss sein Bällchen fortan auf kleinen Feldern in kleine Tore.

Ein vollkommen ungelöstes wissenschaftliches Rätsel ist, wie es gelingt, immer wieder Leute zu finden, die sich ins Tor stellen. Gäbe man eine Annonce auf: „Kandidaten für die Position vor einem Erschießungskommando gesucht“ oder „Stelle als lebender Sandsack für Mike Tyson zu vergeben“, würde sich ja wohl auch keiner melden. Die wahrscheinlichste Theorie besagt, dass es sich durchweg um Roboter des Typs „Hexer“ handelt, der eigentlich für die alten Edgar-Wallace-Filme entwickelt wurde, dort aber nie zum Einsatz kam.

Eine Zeit lang schien der Homo manus manus in vielen Ländern vom Aussterben bedroht, seit sich herumgesprochen hat, dass man als Handballer sogar spanischer Prinz oder ultracooler MTV-Moderator werden kann, scheint die Art aber vorläufig gerettet.

Wissenschaftliche Mitarbeit:

MATTI LIESKE

Fotohinweis:Holger Hirsch-Wurz, 27, ist ordentlicher Professor für Humanzoologie am Institut für Bewegungsexzentrik in Göttingen.