Kostenlos ist noch zu teuer

Das Gratisblatt „20 Minuten Köln“ wird nach knapp zwei Jahren eingestellt. Das Konzept soll nun in anderen europäischen Ländern aufgehen. Lachender Dritter ist der Springer Verlag: Sein Abwehrblatt „Extra“ soll als Kaufzeitung wieder auferstehen

Aus Köln PASCAL BEUCKER
, SEBASTIAN SEDLMAYR
und FRANK ÜBERALL

Die Stimmung war schon seit Wochen auf dem Nullpunkt, an eine glorreiche Zukunft für ihre Zeitung glaubte kaum einer mehr. Doch dass das Ende so schnell nahen würde, hätten die Mitarbeiter der Kölner Gratistageszeitung 20 Minuten dann doch nicht erwartet. Am Dienstag um 17.00 Uhr wurde der Belegschaft mitgeteilt: Am nächsten Tag ist Schluss.

Gestern erschien die letzte Ausgabe – nicht einmal zwei Jahre nach der ersten Nummer im Dezember 1999. Der norwegische Schibsted Verlag gibt sein Gratiszeitungsexperiment in der Bundesrepublik auf. „Enttäuschung, Trauer und Existenzängste“ macht 20-Minuten-Betriebsrätin Vera Kettenbach unter der 49-köpfigen Crew in Köln aus: „Für die ist der Kölner Zeitungsmarkt zu! Unsere Wut richtet sich gegen die Konkurrenz, die statt mit journalistischen mit juristischen Mitteln gegen ein neues Produkt kämpfte, gegen die Werbewirtschaft, die sich aus Angst vor Neuem mit Anzeigen zurückgehalten hat.“ Die Kölnerinnen und Kölner müssen sich allmählich wieder umgewöhnen, denn auch die beiden Abwehrblätter der Verlage M. DuMont Schauberg und Axel Springer werden ihr Erscheinen einstellen. Springers Extra geht mit seiner heutigen Ausgabe vom Markt, DuMonts Kölner Morgen verbschiedet sich am Freitag von seinen Lesern. Konsequent: Die Schlacht ist geschlagen, der Eindringling besiegt.

„Unsere Abwehrstrategie ist voll aufgegangen“, jubelt denn auch Springer-Sprecherin Edda Fels. Auch der Verlag M. DuMont Schauberg zeigte sich zufrieden: Das Scheitern von 20 Minuten „beweist, dass die Gratiszeitung ein wirtschaftlich problematisches Medium ist“, so Verlagssprecher Günter Kamissek.

Noch vor wenigen Wochen plante der Schibsted-Konzern die Expansion: 20 Minuten sollte schon im Juni in mehreren deutschen Großstädten verteilt werden. Doch kurz vor der Realisierung verschob das Unternehmen den Termin auf ein unbestimmtes „Ende des Jahres“.

Zuvor hatte sich hinter den komplizierten Holding-Kulissen ein dramatischer Wandel vollzogen: Das norwegische Medienhaus hält nur noch 42 Prozent der Aktien, weitere 28 Prozent halten jeweils die A + A Aktienbank und die Vermögens-Beteiligungsgesellschaft Apax, zwei Prozent gehören dem Management. Der Druck der wenig medienerfahrenen Finanzmakler könnte ausschlaggebend gewesen sein.

Der Anfang vom Ende: Denn nur in Köln konnte man langfristig nicht erfolgreich sein, wie nun Ekkehard Kuppel, Vorstandsvorsitzender der „20 Min Europa Holding“, eingestehen muss. Ein „groß angelegtes deutschlandweites Projekt“ hätte hingegen „den Widerstand der etablierten Player“ vielleicht überwinden können. „Wir konzentrieren uns jetzt mit aller Kraft auf die 20-Minuten-Projekte in anderen europäischen Ländern“, so Kuppel.

Nach taz-Informationen plant Springer nun eine interessante Auferstehung seiner Extra-Zeitung. Das Blatt soll nach den Sommerferien als kostenpflichtige Lektüre in Hamburg oder einer anderen Großstadt veröffentlicht werden. Die gleiche überregionale Redaktion um den Ex-Max-Chefredakteur Jan-Eric Peters, die auch für die Kölner Ausgabe verantwortlich ist, soll die Zeitung herstellen – nur solle diese eben nicht mehr kostenlos abgegeben werden. Der Preis werde jedoch deutlich unter den 80 Pfennig liegen, die die Bild-Zeitung kostet, hieß es aus Verlagskreisen.

Der Grund: Jugendliche Leser würden von den traditionellen Zeitungen kaum mehr erreicht. Die Gratiszeitungen hätten aber gerade die 16- bis 25-Jährigen wieder zum Lesen animiert. Deshalb ist Springer auf den Geschmack gekommen und will jetzt ausprobieren, ob ein solches Blatt auch in ganz Deutschland Erfolg haben könnte.