Elternwille schafft Schulen

■ Gestern feierte die Kooperative Gesamtschule am Benzenbergweg in Barmbek-Nord ihre Gründung

In Zeiten wie diesen ist es vermutlich nur dem Wahljahr zu verdanken, dass keine Schule wegen zu wenig Anmeldungen geschlossen wird. Eine Schulgründung ist deshalb umso ungewöhnlicher: Gestern feierte die „Kooperative Gesamtschule am Benzenbergweg“ in Barmbek-Nord offiziell ihr Gründungsfest.

Eigentlich war die Schule nur als Zweigstelle für die Heinrich-Hertz-Schule gedacht. Denn die erfreute sich bei den Eltern so großer Beliebtheit, dass die Räume nicht mehr reichten. 100 SchülerInnen zogen deshalb im August 1999 in das ehemalige Elise-Averdieck-Gymnasium, das als Lager für Schulmöbel zwischengenutzt wurde. Im Februar 2000 meldeten über 170 Eltern ihre Kinder für die Tochter der Heinrich-Hertz-Schule an, und die Schulbehörde entschied im Juli vorigen Jahres daraufhin, eine zweite Kooperative Gesamtschule einzurichten. Die feiert ihre Gründung nun, nachdem das erste Jahr bereits hinter ihr liegt.

Im August starten acht 5. Klassen an der Kooperativen Gesamtschule. Die vereint, im Gegensatz zur integrierten Gesamtschule, Haupt- und Realschule sowie Gymnasium als unterschiedliche Schullaufbahnen unter einem Dach. Nach der sechsten Klasse entscheiden LehrerInnen und Eltern, welche Laufbahn für die jeweiligen SchülerInnen in Frage kommt. Die schlagen sie dann ein, wobei die Durchlässigkeit höher ist als beim dreigliedrigen Schulsys-tem, aber geringer als bei der integ-rierten Gesamtschule, wo Leistung in Kursen, nicht aber in Schulformen differenziert wird. „Bei uns bleiben die Klassenverbände bis zum Ende bestehen, denn wir glauben daran, dass die Kontinuität der Sozialverbände und der Bezugspersonen wichtig ist“, erklärt Schulleiter Otmar Geller.

Den Eltern scheint das Konzept zu gefallen, denn die Heinrich-Hertz-Schule hatte mit 230 Fünftklässlern die meisten Anmeldungen aller Hamburger Schulen. Geller glaubt, dass seine Schule davon profitiert, als Ableger der Heinrich-Hertz-Schule gestartet zu sein: „Die Schule hat eine hohe Glaubwürdigkeit, denn sie hat auch in Zeiten, als es nicht modern war, nach Leistung zu fragen, daran festgehalten.“ Und das gelte nun auch für die Schule Benzenbergweg.

Und es gibt noch ein paar Besonderheiten: Dem Beispiel einer Lohbrügger Hauptschule folgend, will auch die Schule Benzenbergweg ihre Hauptschüler einige Tage die Woche in Betrieben lernen lassen. „Außerdem haben wir vor, im Rahmen eines Schulversuches im kommenden Jahr das Fach Wirtschaft einzuführen.“

Zwingen die Eltern die Schulbehörde zu einem Paradigmenwechsel? „Nein, wir freuen uns immer, wenn Schulen gut angenommen werden. Und es ist gut, dass wir die Palette der unterschiedlichen Schulformen anbieten können“, sagt Frauke Scheunemann, Sprecherin der Schulbehörde. Es sei keineswegs daran gedacht, weitere integrierte Gesamtschulen in kooperative umzuwandeln.

Sandra Wilsdorf