Hier werden Ingenieure zu Kellnern

■ DGB und DAG fordern die Anerkennung ausländischer Diplome und mehr Chancen für ausländische Jugendliche

Zuwanderung schön und gut, aber in erster Linie sollten die AusländerInnen, die schon hier sind, besser integriert werden – sonst bleiben die anderen gleich weg. Das forderten gestern der Deutsche Gewerkschaftsbund Bremen (DGB) und der Dachverband ausländischer Kulturvereine Bremen (DAB). „Wir begrüßen die Vorschläge der Süssmuth-Kommission. Endlich wird offiziell anerkannt, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist“, erklärte DGB-Kreisvorsitzende Helga Ziegert. Die Gewerkschaft wolle aber auf keinen Fall eine Situation wie in den 60er Jahren: Damals warb die Industrie Gastarbeiter an, ohne sie wirklich gesellschaftlich „haben“ zu wollen. Nur wenn die Integration der hier lebenden Ausländer funktioniere, sei das Land für ausländische Fachkräfte überhaupt interessant, so Ziegert.

Mängel gebe es vor allem in der Ausbildung ausländischer Jugendlicher. Zwar habe sich die schulische Situation im Laufe der Zeit verbessert, aber bei der betrieblichen Ausbildung in Bremen gehe der Ausländeranteil sogar zurück: Nur 7,1 Prozent betrug er im Ausbildungsjahr 1999/2000. Bedenklich findet Ziegert, dass ausländische Jugendliche in zukunftsträchtigen Ausbildungsberufen fast gar nicht vertreten seien. So sei 1999/2000 bei den Informations- und Telekommunikationselektronikern unter den 107 Auszubildenden kein einziger Ausländer gewesen. Es könne nicht sein, dass ausländische Fachkräfte angeworben würden, ausländische Jugendliche, die bereits hier lebten, aber keinen Zugang zu perspektivenreichen Berufszweigen bekämen, klagte Ziegert, die auch arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD in der Bürgerschaft ist.

Ein weiteres Problem für Ausländer sei die unflexible Haltung vieler deutscher Arbeitgeber, die „ausländische Diplome oft nicht anerkennen“, erläuterte Gule Iletmis, DAB-Geschäftsführerin und ebenfalls für die SPD in der Bürgerschaft. „Ich kenne einen Ingenieur, der deshalb im Gastronomiebereich arbeiten musste und dann nach Kanada ausgewandert ist.“ Dabei würden Arbeitnehmer mit seiner Qualifikation hier dringend gesucht. Deshalb fordert Iletmis die Anerkennung ausländischer Diplome und die Schaffung von Weiterbildungsmaßnahmen, die auf bereits erworbene Qualifikationen und Erfahrungen aufbauen.

Hinzu komme, dass ausländische MitbürgerInnen an den Weiterbildungsmaßnahmen des Arbeitsamtes und des Landes unterproportional beteiligt würden. Besonders betroffen seien hiervon AusländerInnen ohne Arbeitserlaubnis, da ihnen die Partizipation an solchen Programmen nicht erlaubt sei. Eine Ausländerquote bei der betrieblichen Ausbildung hält Iletmis jedoch für den falschen Weg, er könne sich negativ auf die Gesamtzahl der Ausbildungsplätze auswirken. Es müsse aber in der Gesellschaft ein Bewusstsein für die Problematik geschaffen werden. Iletmis betonte, dass auch den AusländerInnen selbst durch Öffentlichkeitsarbeit vermittelt werden müsse, dass sie ohne eine geregelte Ausbildung und gutes Deutsch kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten. Die Eltern der Jugendlichen seien oft skeptisch gegenüber Berufen wie „Kommunikationselektroniker“.

Die Kosten für bundesweite umfassende Integrationsmaßnahmen schätzt Ziegert auf eine Milliarde Mark, einen Teil davon solle auf jeden Fall die Wirtschaft übernehmen, die ja von der Arbeitskraft der Einwanderer profitiere.

viv