Wer, wie, was: Kultur für Kurze

Alle reden von Opernhäusern und Staatstheatern. Doch in Berlin hat sich in deren Schatten auch eine breite Kinder- und Jugendkulturszene entwickelt. Viele Projekte stehen allerdings an der Grenze der finanziellen Belastbarkeit

von VOLKER ENGELS

Wenn in Berlin über Kulturförderung gestritten wird, geht es meistens um Millionenbeträge für Theater- oder Opernhäuser. Doch auch jenseits der hoch subventionierten Hochkultur rund um Mozart, Shakespeare und den anderen Recken des holden Geistes, die vor allem Erwachsene erfreuen, hat sich in Berlin eine breite Kinder- und Jugendkulturszene etabliert.

Für jedes Alter gibt es eine Vielzahl von Angeboten, die vom Kinderzirkus über Musiktheater bis zu Streetballturnieren bei Reggae-Musik reichen. Das Problem: Viele dieser Projekte schlingern hart am Rande des Existenzminimums entlang.

Der Kinder- und Jugendzirkus „Cabuwazi“, der sein Angebot vor allem auf 10- bis 17-Jährige ausgerichtet hat, betreibt in Berlin vier Standorte. Kids lernen dort zum Beispiel, auf einem Einrad durch die Manege zu fahren oder Bälle und Kegel zu jonglieren. Bei „offenen Trainings“ können Kinder erst mal Zirkusluft schnuppern. Bei Gefallen haben sie die Möglichkeit, in eine feste Gruppe zu wechseln.

Zwei- bis dreimal die Woche lernen sie von professionellen Artisten die Zirkuskünste. Für Kinder ist das Angebot kostenlos. Vom 21. bis zum 30. September können die Nachwuchsartisten ihr Können auch einem internationalen Publikum präsentieren: Beim „3. Internationalen Jugendzirkusfestival“ in Treptow zeigen Kinder und Jugendliche ihre Künste bei Workshops, Galas oder Zirkusvorstellungen.

Finanziert wird Cabuwazi vor allem über den zweiten Arbeitsmarkt, also Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und über die Bezirksämter. Ein weiteres ziemlich schwaches Standbein ist das Sponsoring. „Das hat bei uns natürlich nicht den Stellenwert wie bei Hertha oder Alba“, kommentiert Frank Krauspe, Bildungsreferent bei Cabuwazi, lakonisch die Spendenbereitschaft.

„Wir müssen jeden Monat überlegen, wie es im nächsten Monat weitergeht“, so Krauspe. Das sei besonders für Kinder, die sich gerade an einen Trainer gewöhnt hätten, problematisch: „Wir müssen auch personelle Kontinuität reinbringen, weil sonst für die Kinder eine Welt zusammenbricht.“ Zwischen 30 und 70 Artisten, Pädagogen, Schneiderinnen oder Handwerker arbeiten durchschnittlich für das Projekt. Im Moment, sagt der Bildungsreferent, „bewegen wir uns eher am unteren Ende der Personaldecke“.

Beim Multi-Kulti-Projekt Yaam können Jugendliche den ganzen Sommer am Wochenende an Breakdance-Meetings, Percussion- und Graffitiworkshops teilnehmen oder sich bei Skatebourdwettbewerben miteinander messen. Bis zu zweitausend Kids mit oder ohne Familie tummeln sich dann auf dem Yaam- Gelände am Ostbahnhof, um bei Cola oder Cocktail in entspannter afro-karibischer Atmosphäre Reggae zu hören oder Kulinarisches aus aller Welt zu schlemmen. Mit sechs Mark Eintritt dürfte das Yaam auch für Taschengeldempfänger erschwinglich sein. Doch weil das Projekt des gemeinnützigen Vereins Kult e. V. von staatlicher Seite nicht gefördert wird, kreist permanent das Damoklesschwert der Pleite über Yaam. Wegen des schlechten Wetters an den vergangenen Wochenenden gab es einen Einbruch bei den Besucherzahlen: „Wenn das so weitergeht“, befürchtet Ortwin Rau von Yaam, „müssen wir den Laden dichtmachen.“ Statt der erhofften zweitausend Besucher seien bei Dauerregen gerade einmal siebzig Jugendliche gekommen.

Für das Jugendprojekt sei es aber besonders wichtig, „endlich ein festes Gelände zu finden“. Vom Ostbahnhof geht die Reise Ende Juli wieder ans Ufer der Spree, direkt neben dem Veranstaltungszentrum Arena. Aber auch dieser Standort ist nicht von Dauer: „Wir wissen nicht, wo wir unsere Zelte nächstes Jahr aufbauen können“, klagt Rau.

Besonders auf 3- bis 8-Jährige hat das Kindermusiktheater Silberstein sein Programm ausgerichtet. Mit seinen drei Programmen tingelt das kleine Musiktheater seit vier Jahren durch Berlin. Die rund 150 Veranstaltungen jährlich werden vor allem von Kindergartengruppen besucht, aber auch Privatleute können die „Silbersteine“ buchen.

„In einem normalen Theater sind die Kinder oft gnadenlos überfordert“, erklärt Jochen Grasse von Silberstein das Konzept des Theaters, „darum bauen wir auf eine Verbindung von kleinteiliger und verständlicher Handlung in Verbindung mit Musik“. Die Kinder werden bei den Vorstellungen direkt angesprochen und zum Mitsingen eingeladen. Der kulturelle Anspruch, den Grasse an seine Zuschauer stellt, ist bescheiden: „Für uns ist es wichtig, dass die Kinder aus der Vorstellung kommen und sagen: ‚Das war toll‘.“ Am Ende der Aufführung werden Texte und Noten verteilt, damit zu Hause oder in der Kita die Geschichte von „Sti, Sta, Stine“ oder vom „Silberstein“ nachgesungen werden kann.

Der Erfolg bei den Kindern hat seinen Preis in einem enormen Arbeitsaufwand: Weil sich das kleine Theater einzig aus Eintrittsgeldern finanziert, müssen Kosten eingespart werden. Grasse fungiert daher mit seiner Kollegin nicht nur als Schauspieler, sondern auch noch als Schneider, Bühnebildner, Komponist, Regisseur und Akquisiteur.

„Es wäre schon gut“, meint er achselzuckend, „wenn in Berlin das Geld nicht nur für die großen Theater ausgegeben würde, sondern auch für die Kinderkultur.“ Um darauf nicht warten zu müssen, baut Grasse gerade ein zweites Standbein auf: In der Kreuzberger Nostitzstraße wird er in Kürze einen Weinladen eröffnen, der italienischen Rebsaft verkauft – garantiert ohne Subventionen.