vorlauf
: Kinder reißen aus

Dann hau ich eben ab!

(Sa., 11.03 Uhr, ARD)

In jedem Kinderzimmer wird er geträumt, der Traum der großen, freien Welt, weit weg von Muttis erhobenem Zeigefinger . In den meisten Fällen bleibt es bei den Fantasiereisen. Und doch hauen jährlich rund 50.000 Kinder von zu Hause ab. Dass es sich dabei nicht um Abenteuerlust, sondern um Notsituationen handelt, zeigen die Autorinnen Manuela Stacke und Nicole Volpert in ihrer halbstündigen Dokumentation in der Reihe KinderInfoKiste (KIK).

Auf Streife mit der Polizei wird klar, dass die vermeintliche Abenteuerromantik schnell zur Straßenkarriere werden kann. Denn wie sollen sich die Kinder ohne Geld und Ziel durchschlagen? Zuerst schaltet sich daher meist die Polizei ein. Ihre Leistung besteht im Minimalschutz für die Kinder: Sie holen sie von den Straßen, bringen sie zurück zu den Eltern und schalten das Jugendamt ein. „Die Kinder harren so lange wie möglich zu Hause aus. Sie wissen, dass ihr Ausreißen einem Verrat an den Eltern gleichkommt“, unterstreicht Autorin Volpert die Notsituation, in der sich die Kinder befinden. Mit ihrem Feature zeigen die Autorinnen die Straßenrealität einerseits, anderseits berichten sie über Alternativen: die Notdienststellen. In Berlin sind die drei Anlaufstellen Jugendnotdienst, Kindernotdienst und Mädchennotdienst 24 Stunden geöffnet. Die Anlaufstellen vertreten in jedem Falle die Rechte der Kinder und alarmieren nur auf deren Wunsch die Eltern. „Spätestens nach ein paar Wochen wollen alle Kinder wieder zurück, aber nur in eine veränderte Situation“, erklärt Stacke.

Eine junge Ausreißerin erzählt von ihren Erfahrungen auf der Straße: „Du siehst, wie sich die anderen immer mehr verändern, verwahrlosen. Bei dir selbst willst du den Wandel nicht wahrnehmen.“ Inzwischen hat sie den Weg zurück zu ihrer Mutter gefunden.

Den Draht zur Zielgruppe der 8- bis 13-Jährigen stellt die Rap-Gruppe „Sprachfehler“ her, indem sie den Film mit sozialkritischen HipHop ergänzt. Der Zusammenschnitt aus dem Leben junger Ausreißer gewährt einen glaubwürdigen Blick auf Schicksale, die in Deutschland immer noch tabuisiert werden. Ein Beitrag für Kinder, den auch die Eltern nicht verpassen sollten.

KARIN WENGER