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: Zwiespältiges Kaleidoskop des Nachkriegssports

Krümel auf rotem Teppich

Jubiläumsfestschriften sind so eine Sache. Schließlich beschreiben sie, wie der Name schon sagt, ein Fest. Und bekanntlich putzt man sich für solcherlei Feste fein heraus und kehrt unangenehme Krümel gern unter den Teppich. Auch die Festschrift, die der Deutsche Sportbund (DSB) anlässlich seines 50. Geburtstags herausgegeben hat, sollte man unter diesem Blickwinkel betrachten. Dieses Werk, das aus insgesamt 45 kürzeren Beiträgen besteht, ist wahrlich nicht mit dem Auge des Criticus geschrieben worden und dennoch hat es auch Positives.

Zu nennen wäre da die geglückte Beschreibung der Gründungsstunde 1950 in Hannover. Sie schildert die enormen Schwierigkeiten, mit denen der bundesdeutsche Sport in der Nachkriegszeit zu kämpfen hatte: „Weder wollte man an die Zeit vor 1933 und die politisch und konfessionell motivierte Zersplitterung des Sports anknüpfen, noch konnte das von den Nazis praktizierte Modell einer rigorosen ‚Gleichschaltung‘ als Muster dienen“, analysiert Autor Andreas Höfer treffend den Konflikt zwischen den verschiedenen Lagern des Sports. Vor allem der erste Präsident, Willi Daume, sei es gewesen, der als Kompromisslösung die Risse zwischen Arbeitersport, Turnern und Bürgerlichen hätte kitten können. Derselbe Daume unterstrich später in seiner Abschiedsrede den wackligen Charakter des Konstrukts: „Der Gründungsakt des DSB war fast eine Hochstapelei.“

Überzeugend ist auch der Aufsatz von Harald Tünnemann und Andreas Friedrich über „Unsentimentale Erinnerungen an den DDR-Sport“, der frei von nervender Ostalgie die Erfolge des sozialistischen Sports relativiert und beispielsweise das Dopinggeschehen nüchtern zusammenfasst: „Während sonst überall auf der Welt Tablettenpackungen, Einnahmeprotokolle, Trainingspläne schleunigst vernichtet wurden, hielten die Handlanger des Oberspitzels Erich Mielke alles minutiös fest und archivierten es für die Nachwelt. So entlarvte sich das System selbst.“ Der Entschluss der Redaktion, einige Reden und Aufsätze über den deutschen Sport der letzten 50 Jahre zu veröffentlichen, ist ebenfalls zu loben. Schließlich ist auch heute noch bemerkenswert, wie etwa Rudolf Hagelstange einst über die Rolle des Sports in der Gesellschaft dachte. Er, der als Stabhochspringer im Kader für die ausgefallenen Olympischen Spiele 1940 gestanden hatte, bezweifelte bereits anno 1975 die Theorie vom Sport als sozialromantische Oase inmitten einer feindlichen Umwelt: „Warum sollte ausgerechnet der Sport seine Unschuld bewahren, wo doch Leistung auch auf diesem Felde mehr und mehr in Gewinn umschlägt?“

Es gibt noch mehr Gutes an diesem Buch, einige Beiträge darf man indes als Katastrophe betrachten. Über das Kapitel von Friedrich Mevert etwa, in dem die „verdienten DSB-Funktionäre“ gewürdigt werden, sollte man besser den Mantel des Schweigens hüllen. Schließlich wird darin mit dem langjährigen DSB-Geschäftsführer Guido von Mengden eine Persönlichkeit gefeiert, die, ihrer NS-Vergangenheit wegen, von Sporthistorikern schon vor 30 Jahren als „Generalstabschef des deutschen Sports“ bezeichnet wurde. Selbst der ansonsten nicht eben sensible DFB-Chronist Koppehel war sich 1954 über den Werdegang von Mengdens bewusst, als er „Die Geschichte des deutschen Fußballsports“ schrieb – bei der Aufzählung verdienter Fußballpioniere hielt er es für angebracht, von Mengden besser nicht zu erwähnen, und das wollte wirklich schon etwas heißen.

Die Grenze des Erträglichen überschreitet der von Günther von Lojewski verfasste Artikel „Der Sport und die Medien“. Der ehemalige SFB-Intendant hat offenbar, als er seinen Text formulierte, in historischen Schriften gekramt. Der DSB, so die Forderung Lojewskis, müsse heute mehr denn je die Vorteile des Breitensports deutlich machen: „Wir haben darzustellen, dass (. . .) die Volksgesundheit davon profitiert; junge Menschen an das ,Dienen‘ in einer Mannschaft, an Wettbewerb und Leistung herangeführt werden.“ Ist zu hoffen, dass Lojewski nicht zum PR-Strategen des DSB avanciert; seine Ansprache gehört doch eher – und das ist noch milde periodisiert – in die 50er-Jahre. Ein Glück für die Jubiläumsschrift, dass nicht alle Autoren so wie Lojewski feiern. Denn dann wäre diese Festschrift ein unangenehmer Krümel geworden, den man bei der nächsten Party hätte wegfegen müssen. ERIK EGGERS

Deutscher Sportbund (Hrsg.): „Der Sport – ein Kulturgut unserer Zeit“. 305 Seiten, 68 DM