Skinhead nicht frei

BGH hob Freispruch des Landgerichts Magdeburg auf

BERLIN taz ■ Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hob am Donnerstag den Freispruch für einen Skinhead auf, der Ende April vergangenen Jahres in Halberstadt einen 60-jährigen Mann erstochen hatte. Der Renter Helmut Sackers hatte am Abend des 22. April 2000 den Notruf der Halberstädter Polizei angerufen, weil aus einer Nachbarwohnung laut rechtsextreme Musik gespielt wurde, darunter auch das Horst-Wessel-Lied. Die Polizei ermahnte den Wohnungsinhaber Andreas P., während Sackers dem 29-jährigen Skinhead für den Wiederholungsfall mit einer Anzeige drohte. Eine Stunde später war der Kaufmann aus Kleve tot, verblutet an vier Messerstichen im Treppenhaus des Plattenbaus, in dem er mit seiner Lebensgefährtin neben dem rechten Skinhead wohnte.

Eine rechtsextreme Motivation für die tödlichen Messerstiche wurden sowohl in den Ermittlungen als auch im anschließenden Prozess vor dem Landgericht Magdeburg ausgeblendet, obwohl bei Andreas P. über 90 rechtsextreme CDs, aktuelles Neonazi-Propagandamaterial der verbotenen Organisation Blood & Honour sowie Videos mit Mordaufrufen gegen politische Gegner gefunden wurden.

Vor dem Landgericht Magdeburg endete der Prozess gegen Andreas P. im November letzten Jahres dann mit einem Freispruch. In Notwehr habe der Skinhead zugestochen. Vor Gericht hatte Andreas P. behauptet, der Renter habe seinen Hund auf ihn gehetzt und ihn die Kellertreppe hinunter gestoßen. Er habe dann in Notwehr sein Messer gezogen und zugestochen. Die Verlobte von Andreas P., die vor dem Ermittlungsrichter ausgesagt hatte, sie sei im Treppenhaus nicht dabei gewesen, änderte vor Gericht ihre Zeugenaussage zugunsten von Andreas P. und stützte seine Notwehrversion. Das Landgericht glaubte ihr und vereidigte die Zeugin. Das Gericht versäumte jedoch, die Zeugin über ihr Zeugnisverweigerungsrecht zu belehren. Die 4. Strafkammer begründete mit diesem Fehler nun die Aufhebung des Urteils. Gleichzeitig verwies die Kammer den Fall zur Neuverhandlung ans Landgericht Halle und nicht – wie in derartigen Fällen üblich – erneut an das Landgericht Magdeburg.

Nach Ansicht von Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, der für die Schwester des Getöteten gegen den Freispruch Revision eingelegt hatte, deutet diese Entscheidung des BGH darauf hin, dass die Bundesrichter die Rechtsfindung des Landgerichts Magdeburg anzweifelten.

HEIKE KLEFFNER