„Bush braucht mehr Druck“

„Er brauchte mehrere Wochen und mehrere Experten, um sich überden Klimaschutzzu informieren.“

Interview BERNHARD PÖTTER

taz: Mr. Brown, warum hasst Ihr Präsident George W. Bush Florida?

Lester Brown (lacht): Vielleicht liegt es daran, dass er dort solche Schwierigkeiten hatte, gewählt zu werden.

Sie wissen, warum ich die Frage stelle. Wenn Bush seine Klimapolitik fortsetzt, wird Florida bald im Meer versinken. Ist er wirklich so kurzsichtig?

Er hat ein sehr begrenztes Verständnis für die Fragen, um die es beim Klimaschutz geht. Er brauchte mehrere Wochen und mehrere Experten, um sich über dieses Thema zu informieren. Die meisten Amerikaner, die eine Zeitung lesen, verstehen, worum es geht. Von jemandem, der im öffentlichen Leben steht, sollte man erwarten können, dass er das schneller begreift.

Interessiert ihn das Thema überhaupt?

Er ist der Öl- und Gasindustrie so verpflichtet für ihre finanzielle Hilfe im Wahlkampf, dass er meint, er müsse sie unterstützen, weil er sonst nicht wiedergewählt wird.

Also interessiert es ihn nicht.

Nicht besonders. Die Bush-Energiepolitik wurde vor allem von seinem Vize Dick Cheney geschrieben, der vorher in der Energiewirtschaft arbeitete. Und die hat mehr Interesse an Öl und Gas als an sauberen Energien. Sie erwartet, dass der Anteil von regenerativen Energien an der Stromerzeugung, die nicht aus Wasserkraft sind, von jetzt 2 Prozent bis 2020 auf 2,8 Prozent wächst. Aber allein die Windenergie wird in diesem Jahr in den USA um 60 Prozent zulegen.

Warum ignoriert die Regierung das?

Ich glaube, Bush weiß nicht, worum es geht. Die Regierung redet über China und dessen Probleme mit der Kohlefeuerung. Aber China hat seit 1996 seinen Kohlenverbrauch um 24 Prozent verringert. Wenn die USA das geschafft hätten, hätten wir wahrscheinlich jetzt schon unsere Kioto-Verpflichtungen erfüllt.

Wie kann die Regierung lernen?

Das braucht politischen Druck. Und diese Debatte hat bereits jetzt Wunder gewirkt für die Wahrnehmung des Themas in den USA. Die globale Erwärmung hat bei uns bisher noch nie eine solche Aufmerksamkeit bekommen. Die Kommentare kritisieren Bush, weil er so weit entfernt ist vom Rest der Welt und der öffentlichen Meinung in den USA. Wir haben eine sehr starke und kluge Umweltbewegung. Und vergessen Sie nicht, dass wir im nächsten Jahr wieder Wahlen zum Kongress haben. Wenn Bush bei Umweltfragen so wenig tut, was die Leute wollen, gibt es eine echte Chance, dass die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus verlieren. Dann hätte er sowohl den Senat als auch das Repräsentatenhaus gegen sich.

Gerade ist Bush im Senat mit seinem Plan gescheitert, auch in Nationalparks nach Rohstoffen suchen zu lassen. Muss er sich zwangsläufig ändern?

Er hat keine andere Wahl. Sehen Sie, Al Gore hat nicht nur die Mehrheit der Stimmen gewonnen, sondern ohne die Kandidatur Ralph Naders wäre Bush niemals Präsdient geworden.

Ist Nader schuld an Präsident Bush?

Viele Leute in der Umweltbewegung ärgern sich über Nader, weil sie meinen, dass er den Demokraten Stimmen gekostet hat. Vor zwei Jahren hat mich die Grüne Partei gefragt, ob ich antreten wolle. Ich habe es nicht getan, aus genau diesem Grund. Ich bezweifle, dass Nader noch einmal antritt.

Wäre Gore der grünere Präsident gewesen?

Al Gore hat ein außergewöhlich gutes Verständnis für Umweltfragen. Wenn man sein Buch „Wege zum Gleichgewicht“ liest, muss man davon beeindruckt sein.

Aber wenn man sieht, was er als Vizepräsident erreicht hat, muss man davon weit weniger beeindruckt sein.

Das stimmt. Clinton und Gore haben früh versucht, eine Energiesteuer einzuführen, um das Budget zu sanieren. Und damit hatten sie einen ganz schlechten Start in diesem Feld. Aber sie haben einige gute Sachen erreicht: Beim wichtigsten internationalen Umweltpoblem, der Bevölkerungsentwicklung, haben die USA die Führung übernommen. Amerika steht an der Spitze beim Kampf gegen das Rauchen, das ein wichtiges Thema bei der Luftverschmutzung ist. Clinton und Gore haben die Bundesverwaltung angewiesen, Recyclingpapier zu benutzen und damit den Markt dafür geschaffen. Sie hatten das Herz am rechten Fleck. Aber gleichzeitg waren sie nicht gewillt, ihre Stellung wegen Umweltthemen zu gefährden.

Bush hat in Umweltfragen das Herz nicht am rechten Fleck.

Aber wenn er sich entscheiden sollte, etwas für die Umwelt zu tun, hätte er es viel einfacher als Gore oder Clinton.

Weil er kein Grüner ist?

Sehen Sie, 1972 trat George McGovern gegen Richard Nixon bei der Präsidentschaftswahl an. Nixon war ein Hardliner, aber er besuchte in einem spektakulären Coup China. Wenn McGovern gewonnen hätte und China besucht hätte, hätte man ihn wahrscheinlich nicht wieder ins Land gelassen. Es gibt für Bush immer die Möglichkeit, tatsächlich auch in der Umweltpolitik etwas zu bewegen. Aber im Moment ist er so in der Hand der Öl- und Kohleindustrie, dass es wirklichen Druck braucht.

Aber es liegt ja nicht nur an Bush. Der gesamte „American Way of Life“ gründet sich auf Zugang zu billiger Energie. Der Präsident der USA hat doch gar keine Wahl. Sonst ist er bald seinen Job los.

Das ist grundsätzlich korrekt, aber es ändert sich was. Die Zersiedlung der Städte ist überall in den USA ein wirkliches Problem. Die Leute haben die Nase voll davon – auch von den Staus und den Kosten für noch mehr Straßen. Es gibt einen Trend dazu, dieses Problem neu zu überdenken. Die Benutzung des öffentlichen Nahverkehrs ist in den vergangenen fünf Jahren jeweils um 6 Prozent gestiegen.

Trotzdem verbrauchen die Autos in den USA immer noch zweimal so viel Energie wie etwa in Deutschland.

Das stimmt. Aber es gibt Ansätze für einen Wechsel. Die jetzige Form des Verkehrs, die um das Auto organisiert ist, wird zunehmend in Frage gestellt. Penn State University, ein kleines College in Pennsylvania, hat wegen der dauernden Staus auf dem Campus der lokalen Busgesellschaft eine Million Dollar pro Jahr überweisen. Jetzt haben alle Studenten und Lehrer freie Fahrt mit den Bussen. Jetzt haben sie dreimal so viele Busse und deren Benutzung hat sich um 70 Prozent gesteigert.

Aber Umweltschützer in den USA zu sein bedeutet doch immer noch, das dritte Auto nicht zu kaufen.

Das System ist anders ausgerichtet. Für Menschen in den Innenstädten ist es einfacher als für die Leute in den Vorstädten. Das zu ändern braucht eine Menge Druck.

Wer soll den denn machen?

Es sind die Leute, die unter den Staus leiden und die Nase voll haben. Das nimmt immer mehr zu, wir haben dafür den Ausdruck „Road Rage“. Die Leute sind so frustriert, dass sie bereit sind, sich wegen Verkehrsproblemen gegenseitig umzubringen.

„Die Leute sind sofrustriert, dass sie bereitsind, sich wegenVerkehrsproblemen gegenseitig umzubringen.“

Aber die Leute kümmern sich nur um die Probleme, die sie direkt betreffen. Über den Verkehrsstau vor der Tür ärgert man sich. Aber kaum jemand in den USA kümmert sich doch ernsthaft um die globale Erwärmung.

Es gibt schon Leute, die sich um die Klimaveränderungen Sorgen machen. Ich schätze, dass das Thema präsenter wird, je mehr Vorfälle passieren, wie etwa die Meldung, dass am Nordpol im Sommer kein Eis mehr war. Diese Meldung stand auf Seite eins der New York Times, und viele Leute haben das gelesen und dachten: Was ist denn hier los? Sie werden ihr Verhalten vielleicht ändern.

Die gleichen Leute beschweren sich, wenn Benzin zwei Cents teurer wird.

Viele davon, ja. Aber interessant ist auch: Viele Leute wollten von der Bush-Regierung keine Steuererleichterung, denn sie dachten, dass es viele Dinge gibt, die wichtiger sind. Die Menschen sind mehr besorgt um Gesundheitsvorsorge, Erziehung oder soziale Absicherung. Sie verstehen, dass es mehr gibt als das, was sie kurzfristig in ihrer Brieftasche sehen.

Aber sie handeln nicht danach.

Die Frage ist doch: Wie kommt so ein Wandel zustande? Zuerst sind es wenige, und je mehr Fakten auf den Tisch kommen, desto mehr Menschen ändern ihre Meinung. Die Nichtraucher wollten nicht dem Rauch ausgesetzt sein, also machten sie Druck, und heute kann man in Flugzeugen oder öffentlichen Gebäuden nicht mehr rauchen. Wenn jemand vorhergesehen hätte, dass die Tabakindustrie 251 Milliarden Dollar für Gesundheitsschäden durch Rauchen zahlen würde, hätte das niemand geglaubt.

Erwarten Sie ähnliche Prozesse wegen Umweltschäden?

Ja. Heute erscheint es weit hergeholt, die Ölgesellschaften juristisch für die Klimaveränderung zur Rechenschaft zu ziehen. Wir sind nicht daran gewohnt. Aber jemand wird für diese Schäden verantwortlich gemacht werden.

Sie meinen, dass die Renter aus Florida Exxon und BP verklagen, wenn ihnen ihr Häuschen wegschwimmt?

Vielleicht.

Kein Richter würde diesen Fall annehmen. Man kann keine direkte Verbindung zwischen Ursache und Wirkung beweisen.

Das haben sie beim Rauchen auch gesagt.