Freibier für Rasentreter

Deutsche Polo-Meisterschaften in Klein Flottbek  ■ Von Philipp Sidhu

Das Team eines renommierten Stuttgarter Sportwagenherstellers gewann die diesjährige Internationalen High Goal Polo Meisterschaft in Klein Flotbek. Doch die wahre Macht liegt nicht bei Ross und Reiter, sondern in den Beinen des Publikums. In den Spielpausen muss der von den Pferden aufgewühlte Rasen von den Zuschauern wieder in Form, sprich platt getreten werden. Bei der Internationalen Deutschen Polo-Meisterschaft in Klein Flottbek am Wochenende – im Finale besiegte das Team Porsche das Team Bombay Saphire – erwies sich das Publikum jedoch als so störrisch, dass die Verantwortlichen Freibier ausloben muss-ten, um die Massen zur Arbeit zu bewegen. Dabei gab es für die Verweigerung am Rasen eigentlich keinen Anlass.

Denn manchmal, wenn die Reiter sich mit Händen, Ellenbogen und Schlägern bekämpfen und wieselflinke, kleine Pferde schnaubend hochsteigen, spricht das Spiel die barbarische Seite im Zuschauer an. Der Mythos erzählt, dass die Reitervölker Vorderasiens sich damit vergnügt hätten, Ratten hin und her zu schlagen. Eine blutrünstigere Variante ersetzt die Nagetiere durch die Köpfe enthaupteter Feinde. Gesichert ist, dass indische Moghule der frühen Neuzeit dem Polo die ersten Regeln gaben und Ratten oder Köpfe durch den zivilisierteren Ball ersetzten.

Die endgültige Zähmung des wilden Reiterspiels erfolgte durch die Briten. Die hatten bei der Erweiterung ihres Empire zwei Probleme. Zum einen störte das Gelächter indischer Soldaten angesichts europäischer Reitkünste, zum anderen wurde eine Möglichkeit gesucht, sich im ungesunden Klima der Kronkolonie sportlich zu betätigen. Die Lösung fand die Seemacht in dem bereits 2000 Jahre alten Spiel mit dem tibetanischen Namen „pulu“. Tatsächlich galt die pologestählte britische Indienarmee bis zum Ersten Weltkrieg, als die unsportlichen Türken den militärischen Wert des Spiels ad absurdum führten, als die athletischs-te Abteilung des Empires.

Die Rache der Briten für den Verlust kolonialer Herrlichkeit besteht im Regelwerk. Das ist grundsätzlich einfach: Eine Mannschaft besteht aus vier Spielern und hat mittels Schlägern einen Ball in das Tor zu befördern. Doch darüber hinaus wird es so kompliziert, dass mittlerweile Profischiedsrichter benötigt werden, um im Gewirr von Pferden und Reitern Regelverstöße auszumachen. So werden die Seiten nach jedem Tor gewechselt, ein Relikt aus jener Zeit, als die tiefstehende Sonne Indiens die Spieler blendete und eine Mannschaft benachteiligt hätte.

Auch ansonsten wird höchster Wert auf Fair-Play gelegt. Jedem Reiter wird in einer Art freiwilliger Selbstkontrolle durch ein Spielergremium ein Handicap zugewiesen. Das liegt zwischen minus zwei (fällt nicht immer vom Pferd) bis plus zehn (Pologott). Aus den Einzelhandicaps der Spieler resultiert das Gesamthandicap der Mannschaften. Beim Turnier in Klein-Flottbek durfte das Gesamthandicap Zwölf nicht überschreiten. Der Einsatz zweier Pologötter musste folglich, um die Chancengleichheit zu wahren, durch zwei Nieten ausgeglichen werden.

Doch überwiegend betreffen die Regeln den Schutz der Pferde. So wird das Spiel sofort unterbrochen, wenn eines der Pferde stürzt. Fällt dagegen ein Reiter, wird munter weitergespielt. Die Wurzeln des Spiels, als ein Mann ohne Pferd nichts wert war, ein Pferd ohne Mann hingegen eine kostbare Beute, sind offensichtlich. Barbarisch schön.