Auf dem Beauty-Kutter

Schönheitsoperationen jetzt auch für Belgierinnen möglich – auf hoher See

Leider ist Dr. Vandenbrigge nicht seefest. Operiert wird jedoch bei jedem Wetter

„Verdammt, wir treiben ab!“ Kapitän Willem Wannemaker (49) fingert hektisch am Ruderstick seines Kutters „Venus“ herum. Hoch geht die Nordsee an diesem stürmischen Julitag, gut drei Meilen vor der belgischen Küste, Höhe Dünkirchen. Windstärken von fünf bis sechs machen dem holländischen Skipper einigermaßen zu schaffen, dazu kommt eine tückische Strömung. Nur mit viel Fingerspitzengefühl hält Wannemaker die „Venus“ auf Kurs.

Bloß nicht in Belgiens Hoheitsgewässer geraten! Darauf ist das gesamte seemännische Geschick Wannemakers ausgerichtet. Umso mehr, da die Besatzung des in Sichtweite fahrenden belgischen Zollkreuzers „Penunse“ jedes noch so geringfügige Eindringen der „Venus“ sofort den belgischen Finanzbehörden melden würde. Ein falsches Manöver, und dem Bootseigner der „Venus“, der Amsterdamer Stiftung „Pretty Women“, flatterte umgehend ein fulminanter Steuerbescheid ins Haus.

Der Grund dafür ist mittschiffs der „Venus“ festgezurrt: ein zum Operationssaal ausgebauter Container, in dem der belgische Schönheitschirurg Dr. Torso Vandenbrigge (37) bis zu fünf Belgierinnen täglich unters Messer nimmt. „Hauptsächlich Titten aufpumpen“, nennt Kapitän Wannemaker die vornehmliche Tätigkeit des auf Brustvergrößerungen spezialisierten Arztes salopp. Doch der Chirurg Vandenbrigge versteht sich durchaus auch auf Korrekturen von Überbissen und Kartoffelnasen, spritzt schmale Lippen sinnlich und saugt überschüssige Frittenfette aus speziell belgischer Frauen Hüften oder Oberschenkel. „Die ganze Palette!“, wie er während einer Zigarettenpause zwischen zwei Operationen seine chirurgischen Fertigkeiten knapp umreißt.

Wie die dreiköpfige Besatzung der „Venus“ stehen auch Dr. Vandenbrigge und sein Assistent Weller in Diensten von „Pretty Women“, jenem Amsterdamer Zusammenschluss holländischer Frauenrechtlerinnen und ehemaliger Models, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, „nicht länger tatenlos das sinnlose Leid belgischer Frauen zu akzeptieren und ihnen endlich auch Schönheitsoperationen zu ermöglichen“, so Meisje Klocke (43), Gewinnerin etlicher Miss-Implatate-Contests und Sprecherin von „Pretty Women“. Da die eh schon teuren Schönheitsoperationen in Belgien sehr hoch besteuert seien, könnten sie sich viele Belgierinnen einfach nicht leisten. „Wir betrachten das als eine Verletzung der Menschenrechte der Frau“, erklärt die alles in allem sehr schönheitsoperationserfahren, um nicht zu sagen, gestrafft wirkende Frau Klocke.

Angeregt durch die „Aurora“, jenem unlängst nach Irland entsandten Abtreibungsschiff (bzw. „Saugbagger“, wie Bärbeiß Wannemaker diesen Schiffstyp bezeichnet), hat „Pretty Women“ die „Venus“ zu einer schwimmenden Schönheitsklinik umrüsten lassen. Pro Tag können jetzt fünf operationswillige Belgierinnen im Hafen von Dünkirchen an Bord des Beauty-Kutters gehen, um sich auf ihm in internationale Gewässer booten zu lassen. Erst hier, außerhalb der Dreimeilenzone, darf Vandenbrigge, ohne dafür vom belgischen Fiskus mit der horrenden Schönheitssteuer belangt zu werden, Hand an sie legen.

Ein, wie Vandenbrigge zugibt, handwerklich nicht immer leichtes Unterfangen. Er sei „leider alles andere als seefest“; die Schlieren von Erbrochenem, die in seinem Fünftagebart kleben, unterstreichen das eklig. Bei stärkerem Wellengang, so scherzt der Doktor, unterscheide sich die Farbe seines Gesichtes mitunter kaum von der seines grünen OP-Kittels. „Operiert wird jedoch immer“, versichert er. Wenn es ihm ganz schlecht ginge, müsse eben „der Assistenzarzt schneiden“, der habe „bei jedem Wetter eine ruhige Hand“, so des Doktors Versicherung, die später Wannemaker mit dem Zusatz „zumindest nach drei, vier Bacardi-Cola“ allerdings etwas relativiert. Dennoch: Bis jetzt – der Doktor klopft sich dreimal „toi, toi, toi“ mit dem Skalpell gegen den Kopf – sei jede Operation auf der „Venus“ optimal verlaufen. Dann verschwindet er wieder im OP-Container, das nächste Silikon-Implantat zu setzen. Die Teilnahme an einer Operation wird uns leider verwehrt. Auch die fünf Patientinnen des Beauty-Kutters werden streng vor uns abgeschirmt. Laut Auskunft von Kapitän Wannemaker seien aber „wieder einige recht flotte Feger“ dabei. Er persönlich verstünde gar nicht, was die hier eigentlich wollten. FRITZ TIETZ